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Interreligiöse Dialogplattform Nigeria gründet Schule in einem Lager für Binnenvertriebene
In vielen ländlichen Teilen Nigerias ist die Schulbildung für Kinder stark beeinträchtigt, da viele Menschen durch Gewalt und Not vertrieben wurden und einige Schulen aufgrund von Entführungen geschlossen werden mussten.
Im ländlichen Nigeria waren die Chancen für Kinder durch das Erstarken von Boko Haram sowie tödliche Angriffe und Entführungen durch verarmte Viehhirten und Banden, die es zum Teil auf Schulen abgesehen haben, bereits stark eingeschränkt. Durch die COVID-19-Pandemie hat sich die Situation nun noch weiter verschlechtert.
Im Kindergarten und in der Grundschule des Pigba-Lagers bringen die Schülerinnen und Schüler ihre Begeisterung zum Ausdruck und begrüßen die Lehrkräfte mit den Worten: „Guten Morgen, Sir. Wir sind froh, Sie zu sehen. Gott segne Sie.“ Diese Form der Begrüßung, die in städtischen Schulen üblich ist, wurde von den Kindern übernommen, als die Schule im Oktober 2020 gegründet wurde.
Das Lager für Binnenvertriebene befindet sich auf einem verlassenen Gebiet in der Hauptstadt Abuja und wurde vor mehr als fünf Jahren von Flüchtlingen errichtet, als diese in Abuja ankamen. In dem Lager leben mittlerweile mehr als 2.000 Menschen, darunter viele Kinder.
Lesen Sie mehr über das Camp und sehen Sie Bilder hier.
Nach einem Besuch im Jahr 2019 gründete das Interreligiöse Dialogforum für Frieden (IDFP) die Pigba Nursery School, in der fast 200 Kinder eingeschrieben sind. Das IDFP bezahlt die Gehälter der Lehrkräfte, stellt Unterrichtsmaterialien zur Verfügung und setzt sich für die offizielle Anerkennung der Schule ein.
Aisha, 13 Jahre alt, ist Schülerin der Pigba School und kommt aus dem Bundesstaat Borno. Sie erinnert sich an die Angriffe auf ihre Gemeinde und die Tatsache, dass es niemanden gab, der sich um verletzte und kranke Menschen kümmerte. Seither hat sie den Wunsch, Ärztin zu werden.
„Immer wenn ich hilfsbedürftige Menschen sah, wollte ich ihnen helfen. Mit dem Schulbesuch wird mir das gelingen“, erzählt sie.
Aisha hat keine Ahnung, warum sie früher nicht zur Schule geschickt wurde. Sie ist jedoch froh, dass sie jetzt am Unterricht teilnehmen kann: „Ich bin glücklich, weil ich hier viel lerne, und ich mag Mathematik.“
Ihre Klassenkameradin Hajara (12), deren Lieblingsfach Sozialkunde ist, freut sich, wieder zur Schule zu gehen. Ihre Ausbildung im benachbarten Tschad war durch Angriffe und später durch die Pandemie unterbrochen worden. Hajara hatte Tränen in den Augen, als sie von ihren Erfahrungen im Tschad erzählte. Sie musste die Schule abbrechen und weit weg von ihrer erkrankten Mutter ziehen.
Hajara weiß nicht, welche Ausbildung ihre Mutter hat, die zwischen Nigeria und dem Tschad als einfache Händlerin tätig ist. Trotzdem ist sie für Hajara eine Quelle des Rates und der Inspiration.
„Sie ruft mich regelmäßig an und ermutigt mich immer, zur Schule zu gehen“, berichtet Hajara.
Die Rolle der religiösen Führerschaft
Im März 2021 gab das nigerianische Bildungsministerium bekannt, dass 10,1 Millionen Kinder nicht zur Schule gehen. Das sind über drei Millionen mehr als im Vorjahr, in dem die Pandemie ihren Anfang nahm. Der Anteil der Mädchen an dieser Zahl beträgt 60 Prozent. Dreißig Prozent von ihnen waren zwischen neun und zwölf Jahre alt und haben noch nie eine Schule besucht. Fachleute führen diesen Anstieg auf die Pandemie und den Mangel an Sicherheit zurück.
Religiöse Führerinnen und Führer wie die Mitglieder des Interreligiösen Dialogforums sind wichtige Meinungsbildner in ihren Gemeinden. Sie können aufgrund ihrer relativ einflussreichen Position Maßnahmen einfordern und Unterstützung mobilisieren. Das von KAICIID unterstützte Interreligiöse Dialogforum setzt sich aus Mitgliedern vieler religiöser Gemeinschaften zusammen – christliche, muslimische und traditionelle Religionen in ganz Nigeria. Das Forum nutzt seinen einzigartigen Zugang und die Erfahrung, um soziale und interreligiöse Themen anzugehen.
„Das Lager Pigba, in dem über 2.000 Binnenvertriebene leben, war vernachlässigt und es fehlte an Infrastruktur“, erklärt Pastor Ibrahim Joshau Adamu, Co-Vorsitzender des IDFP. „Bei unserem Besuch sagten die Kinder, dass sie wie andere zur Schule gehen wollten. Also haben wir Ressourcen mobilisiert und mit Hilfe von KAICIID eine Schule errichtet.“
Ein zentrales Mandat des Interreligiösen Dialogforums ist die Stärkung der interreligiösen Beziehungen im Land, die Förderung der friedlichen Koexistenz zwischen allen Religionen und ethnischen Gruppen und die Schaffung von Möglichkeiten zur Vertrauensbildung und Zusammenarbeit durch Dialog. Laut Co-Vorsitzendem Alhaji Ibrahim Yahaya trägt die Plattform zur sozialen und wirtschaftlichen Entwicklung des Landes bei, indem sie sich direkt in Angelegenheiten engagiert, die die Gemeinschaften betreffen, wie zum Beispiel die Betreuung von Binnenvertriebenen und die Unterstützung von Projekten wie der Pigba-Schule.
„Als interreligiöse Organisation können wir uns nicht von dem abkoppeln, was in der Gemeinschaft vor sich geht. Wir müssen eingreifen, um den Menschen in der Gesellschaft Hilfe zu leisten. Wir müssen bedenken, dass Predigen allein das Problem nicht löst und dass die Menschen erst dann auf uns hören werden, wenn wir praktische Schritte unternehmen und uns für die Angelegenheiten der Gesellschaft interessieren“, berichtet er.
Herausforderungen und Chancen für vertriebene Kinder
Die Möglichkeit, eine Schule zu besuchen, verändert das Leben von Mädchen wie Aisha. Bevor sie eingeschult wurde, war sie zu Hause bei ihren Geschwistern, wo sie aufgrund der prekären Sicherheitslage schutzlos war. „Die Schule ist für mich ein Schutz vor der Angst, dass Boko Haram in Borno Menschen tötet“, sagt sie. „Ich möchte hier bleiben, weil ich zur Schule gehen kann. Ich möchte nicht zurück nach Borno.“ Bei Hajara, die Lehrerin werden will, ist das nicht anders.
Fatima Garba, Hajaras Tante, die sich im Lager um sie kümmert, freute sich über die Eröffnung der Schule: „Ich habe nur eine islamische Schule besucht. Aber ich weiß, dass Bildung wichtig ist, weil sie einem hilft, im Leben voranzukommen. Die Angriffe in Borno waren unvorhersehbar und ich fürchtete ständig um Hajaras Sicherheit.“
Salisu Mohammed, ein neunjähriger Schüler, hatte noch nie eine Schule besucht, bevor er nach Abuja kam: „Ich möchte eine Ausbildung bekommen. Ich mag es zu lernen. Ich möchte Soldat werden. Ich mag, was sie tun. Ich habe sie im Fernsehen bei der Arbeit gesehen“, erzählt er.
„Ich bin mit den Fächern zufrieden, in denen ich unterrichtet werde. „Mathe und Englisch sind meine Lieblingsfächer. Ich mag auch Sozialkunde. Ich erinnere mich an ein Thema, bei dem es darum ging, dass Wasser farblos und geschmacklos ist“, sagt er. „Ich erinnere mich daran, weil ich zu Hause Wasser getrunken habe, das verfärbt war.“
Seit der Entführung der Schülerinnen in Chibok im Jahr 2014 im Bundesstaat Borno hat die Zahl der Angriffe auf Schulen weiter zugenommen. Einige Bundesstaaten haben ihre Schulen geschlossen, um die Sicherheit der Kinder zu gewährleisten. Für Kinder wie Aisha, Hajara und Salisu bietet die Schule nicht nur einen sicheren Zufluchtsort vor den Schrecken des Konflikts, sondern ist auch eine Chance und Inspiration für ein besseres Leben.