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Führungspersönlichkeiten aus aller Welt setzen sich beim globalen KAICIID-Dialogforum für Frieden, Nachhaltigkeit und Menschenwürde ein
Hochrangige religiöse Führerinnen und Führer, amtierende und ehemalige Staatsoberhäupter sowie weitere Würdenträger kamen in Lissabon zusammen. Sie befassten sich mit drängenden globalen Herausforderungen wie der Klimakrise, der Bedrohung des sozialen Zusammenhalts und der steigenden Zahl gewaltsamer Konflikte weltweit. Sie betonten die Notwendigkeit eines transformativen Dialogs, um die globale Friedensschaffung und Entwicklungsbemühungen voranzutreiben. Die Gespräche fanden im Rahmen des KAICIID Global Dialogue Forum (KGDF) statt, das vom Internationalen Dialogzentrum KAICIID vom 15. bis 16. Mai in Lissabon, Portugal, ausgerichtet wurde.
Dialog ist dringend notwendig
In seiner Eröffnungsrede betonte Dr. Zuhair Alharthi, Generalsekretär des Internationalen Dialogzentrums KAICIID, die dringende Notwendigkeit des Dialogs, insbesondere angesichts der zahlreichen aktuellen Konflikte weltweit - von der Ukraine über den Gazastreifen bis zum Sudan. „Der Dialog ist von größter Wichtigkeit. Wir befinden uns in einer Zeit, in der Konflikte eskalieren, sich Spaltungen vertiefen und das Misstrauen wächst. Komplexe Herausforderungen erfordern gemeinsames Handeln", sagte er.
Seine Eminenz Salih bin Abdullah al-Humaid, Imam der Großen Moschee von Mekka, bekräftigte, dass der Dialog von wesentlicher Bedeutung ist, um Brücken der Verständigung zu bauen und die Werte des Friedens und der Inklusion zu stärken. „Durch Dialog können solide Allianzen und Partnerschaften aufgebaut werden. Er ist zu einem Eckpfeiler bei der Verwirklichung eines gerechten und umfassenden Friedens und der Festigung moralischer und ethischer Werte in allen Gesellschaften und Gemeinschaften geworden", fügte er hinzu.
Prof. Dr. Allahshukur Pashazade, Scheich Ul-Islam des Kaukasus, gab zu bedenken, dass zunehmende Fremdenfeindlichkeit sowie religiöse und ethnische Intoleranz die internationale Stabilität und Sicherheit beeinträchtigen. „Unsere schnell polarisierte und zersplitterte Welt kann nur durch gemeinsame Anstrengungen im Interesse der Menschen und durch die Schaffung eines vertrauensvollen Umfelds gerettet werden", erklärte er.
Umgang mit der zunehmenden Intoleranz
Mehrere Rednerinnen und Redner wiesen auf die Eskalation der Gewalt in der arabischen Welt und die daraus resultierende Zunahme antisemitischer und islamfeindlicher Vorfälle in Europa hin. Beispiele hierfür sind Angriffe auf religiöse Stätten wie die Schändung eines jüdischen Friedhofs in Wien und ein versuchter Brandanschlag auf eine Moschee im Vereinigten Königreich.
Oberrabbiner Michael Schudrich, Oberrabbiner von Polen und Mitglied des von KAICIID unterstützten Muslim Jewish Leadership Council (MJLC), erinnerte an einen Vorfall Anfang Mai, als ein 16-Jähriger drei Molotowcocktails auf eine Synagoge in Polen warf. Nur wenige Stunden nach dem Anschlag versammelte sich die jüdische Gemeinde mit Vertretern der katholischen Kirche, dem polnischen Mufti und Vertreterinnen und Vertretern der polnischen Präsidentschaft, des Parlaments und des örtlichen Bürgermeisters. „Wir haben gemeinsam darüber gesprochen, dass es keinen Platz für Antisemitismus oder Anti-Islamismus gibt. Es gibt keinen Platz für Hass. Wir müssen unbedingt über die Dinge sprechen, die Unrecht sind, sei es die Verbrennung des Korans oder ein Molotowcocktail gegen eine Mauer einer Synagoge."
Die globale Klimakrise bewältigen
Im Rahmen von KAICIIDs globalem Dialogforum kamen auch aktuelle und ehemalige Staatsoberhäupter zu Wort, die sich mit der globalen Klimaagenda befassen, darunter Matteo Renzi, ehemaliger Ministerpräsident Italiens, François Hollande, ehemaliger Präsident Frankreichs, und Ilham Aliyev, derzeitiger Staatspräsident von Aserbaidschan, der im Laufe dieses Jahres die UN-Klimakonferenz (COP29) in Baku ausrichten wird.
Francois Hollande, ehemaliger Präsident der Republik Frankreich, verwies auf das Pariser Klimaabkommen, das von 196 Staaten auf der UN-Klimakonferenz 2015 (COP21) angenommen wurde, als ein aktuelles Beispiel für internationalen Dialog und Zusammenarbeit. Dieser rechtsverbindliche Vertrag verpflichtet die Unterzeichner, die Erderwärmung durch die Verringerung der Treibhausgasemissionen auf 1,5 °C zu begrenzen. Er zeigt, wie sich die führenden Politikerinnen und Politiker der Welt auf ein gemeinsames Ziel einigen und dabei unterschiedliche nationale Interessen und äußeren Druck beiseite schieben können. „Während der Verhandlungen haben interreligiöse Organisationen dafür gesorgt, dass geistliche Führer an der Verabschiedung dieses internationalen Textes teilnehmen konnten, der heute noch wichtiger geworden ist“, so Hollande weiter.
Ilham Aliyev, Präsident von Aserbaidschan, betonte in einer schriftlichen Botschaft die wichtige Partnerschaft zwischen politischen Entscheidungsträgerinnen und -trägern und religiösen Führerinnen und Führern bei der Bewältigung des Klimawandels, die auf der COP29 im Mittelpunkt stehen wird. Diese Veranstaltung findet zeitgleich mit dem Gipfeltreffen religiöser Führer aus aller Welt statt, bei dem der interreligiöse Dialog und spirituelle Werte mit der globalen Klimapolitik verknüpft werden. Präsident Aliyev erörterte auch die weiterreichenden Auswirkungen dieser Diskussionen und hob hervor, wie sie sich mit anderen globalen Herausforderungen befassen, einschließlich geopolitischer Konflikte, die durch klimabedingte Katastrophen verschärft werden. „In diesem Zusammenhang ist ein neuer Ansatz für die bilateralen und multilateralen Beziehungen erforderlich, um die Rolle der Religion in globalen Angelegenheiten zu definieren“, erklärte er.
Matteo Renzi, ehemaliger Ministerpräsident der Republik Italien, sprach über die entscheidende Rolle des Dialogs bei der Bewältigung globaler Probleme wie ökologische Nachhaltigkeit und nukleare Bedrohungen. Er betonte, dass der Dialog nicht nur ein Mittel zum Kompromiss sei, sondern die Essenz der Menschlichkeit, die für ein effektives politisches und geopolitisches Engagement entscheidend ist. „Wir befinden uns in einer dramatischen Zeit dieser Welt. Wir brauchen Dialog, nicht weil er ein Kompromiss oder einfach ist, sondern weil er die Seele der Menschheit ist. Ohne ihn ist es unmöglich, eine Rolle in der Politik oder Geopolitik zu übernehmen", erklärte Renzi.
Transformativer Dialog hängt von der Menschenwürde ab
Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer nahmen am Nachmittag des ersten Veranstaltungstages an einer Diskussion teil, in der betont wurde, wie wichtig die Anerkennung und Wahrung der Menschenwürde für die Förderung eines wirksamen Dialogs und der Zusammenarbeit über verschiedene kulturelle und religiöse Grenzen hinweg ist.
Bani Dugal, die Repräsentantin der Internationalen Bahá'í-Gemeinde bei den Vereinten Nationen, hob die grundlegenden Aspekte der Menschenwürde hervor und erklärte, sie sei „eine Anerkennung des Wertes und der Würde jedes menschlichen Wesens. Sie beinhaltet ein Gefühl der moralischen Verpflichtung, andere mit Respekt zu behandeln“.
Dr. Brett G. Scharffs, Direktor des Internationalen Zentrums für Recht und religiöse Studien an der Brigham Young University, untersuchte die transformative Kraft des Dialogs und seine Fähigkeit, echte Beziehungen auf der Grundlage von Vertrauen und Wahrheit zu fördern. Er verwies auf die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte (AEMR) als Beweis für die zentrale Bedeutung der Menschenwürde für die globale Konsensfindung. Er erwähnte, dass während der angespannten Diskussionen über einen ersten 400 Seiten umfassenden Entwurf Spannungen abgebaut wurden, als ein Delegierter vorschlug, den Text mit Überlegungen zur Menschenwürde zu beginnen und zu beenden.
„Wenn Sie sich den ersten Satz der Präambel der Menschenrechtskonvention ansehen, werden Sie die Menschenwürde finden. Wenn Sie sich den ersten Satz von Artikel 1 ansehen, werden Sie die Menschenwürde finden", sagte er.
Dr. Scharffs argumentierte, dass in der heutigen polarisierten Gesellschaft die Konzentration auf die Menschenwürde dazu beitragen könne, schwierige Gespräche über Menschenrechte und Religionsfreiheit zu führen und die komplexen Fragen der Identitätspolitik zu entwirren. „Es ist keine Wunderwaffe, aber es schafft einen Diskussionsrahmen, der uns hilft, kreative und innovative Lösungen für Probleme zu finden.
Ökologisches Verantwortungsbewusstsein und spirituelle Werte als Schnittstelle
Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer wurden in themenbezogene Diskussionsgruppen aufgeteilt, die sich auf die drei großen Themen des Dialogforums konzentrierten: Friedensbildung und Konflikttransformation, Schaffung inklusiver Städte und Heilige Ökologie. In diesen Gesprächen wurde untersucht, wie spirituelle Werte und religiöse Praktiken zu den globalen Bemühungen um den Schutz des Planeten beitragen können.
Die Diskussionsrunde „Heilige Ökologie“ beleuchtete die kritische Schnittmenge zwischen ökologischem Verantwortungsbewusstsein und spirituellen Werten. Dr. Iyad Abu Moghli, Gründer und Direktor der Faith for Earth Coalition beim Umweltprogramm der Vereinten Nationen (UNEP), betonte die göttliche Verantwortung für den Umweltschutz, die sowohl von westlichen als auch östlichen Religionen anerkannt wird. Er wies auf den beträchtlichen Einfluss und die Ressourcen hin, über die religiöse Institutionen weltweit verfügen.
„Religiöse Institutionen sind die viertgrößte Wirtschaftsmacht der Welt“, erklärte Dr. Abu Moghli. „Sie besitzen mehr als 8 Prozent des bewohnbaren Landes auf der Erde - 36 Mal so viel wie das Vereinigte Königreich. Sie besitzen hunderte Millionen Kirchen, Moscheen, Synagogen und Tempel. Das sind Gebäude, die Energie verbrauchen und Abfall produzieren. Sie beanspruchen Grund und Boden. Als religiöse Führer und Institutionen müssen wir also praktizieren, was wir predigen.“
In den anschließenden Gesprächen betonten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer die Komplexität des Umweltschutzes und die Notwendigkeit, dass religiöse Führungspersönlichkeiten Zugang zu angemessenen Ressourcen und Kenntnissen haben müssen, um sich in diesem Bereich wirksam engagieren zu können. Sie betonten die Notwendigkeit stärkerer Partnerschaften zwischen religiösen Führern und Regierungen, um sicherzustellen, dass glaubensbasierte Perspektiven in politische Entscheidungsprozesse einfließen und gerechtere und nachhaltigere Umweltstrategien gefördert werden.
Es wurden innovative Initiativen vorgestellt, wie zum Beispiel die Bemühungen von EcoSikh zur Wiederaufforstung im Himalaya und ihre Projekte zur Bekämpfung von Herausforderungen wie Konflikten zwischen Mensch und Wildtieren und Kinderheirat durch umweltorientierte Lösungen. Diese Projekte sind ein Beispiel dafür, wie religiöse Organisationen eine Vorreiterrolle bei der Bewahrung der Umwelt übernehmen und gleichzeitig soziale Probleme bewältigen können, indem sie die vielfältigen Vorteile der Verbindung von spirituellen Werten und Umweltmaßnahmen aufzeigen.