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Junge Menschen bekämpfen Hassrede und Diskriminierung in Marokko
Imane Rabeh war 15 Jahre alt, als sie zum ersten Mal miterlebte, wie eine Freundin in der Schule beschimpft wurde, weil sie eine etwas dunklere Hautfarbe hatte.
Die Schülerin aus der marokkanischen Kleinstadt Kalaat Sraghna schritt sofort für ihre Freundin ein, um sie zu verteidigen und die anderen Kinder in der Schule zur Vernunft zu bringen, damit dieses Verhalten aufhört. In diesem Moment wusste Imane, dass sie dazu beitragen wollte, diskriminierende Hassrede an ihrer Schule und in ihrer Stadt zu beenden.
Marokko ist ein vielfältiges Land, in dem Minderheiten Opfer von Hass und diskriminierenden Äußerungen werden können. Das gilt insbesondere für junge Menschen.
Lokale Initiativen bekämpfen Hassrede
Die lokale zivilgesellschaftliche Organisation „Hoffnungsschimmer“ hat Programme zur Ausbildung von Schülerinnen und Schülern zu „Jugendbotschafterinnen und Jugendbotschaftern“ ins Leben gerufen hat. Sie sollen sich in Schulen für die Verbreitung einer Kultur der Toleranz einsetzen.
Diese Initiativen sollen Hassrede sowohl vor Ort als auch im Internet bekämpfen. Sie werden von KAICIID im Rahmen des Projekts „Dialogue 360“ unterstützt, das seit dem Jahr 2020 mehr als 100 Initiativen zur Förderung des interreligiösen und interkulturellen Dialogs in der arabischen Welt unterstützt.
Der Verein „Hoffnungsschimmer“ wurde von einer Gruppe marokkanischer Jugendlicher gegründet, um die lokale Gemeinschaft zu unterstützen. In der Stadt mangelt es an zivilgesellschaftlichen Aktivitäten, deshalb sollen mehrere Kampagnen zur Sensibilisierung durchgeführt werden. Alle durchgeführten Aktivitäten wurden in enger Zusammenarbeit mit dem Jugend- und Beratungsgremium, einer weiteren lokalen Initiative, veranstaltet. Unterstützung kommt auch von der Regionaldirektion des Bildungsministeriums, die der Organisation ihre Hilfe bei der Durchführung ihrer Programme zusagte.
Lesen Sie mehr: Was ist Hassrede?
Botschafterinnen und Botschafter in Vorbereitung
In seinem ersten Jahr schulte das Programm „Jugendbotschafter für Toleranz“ eine Gruppe von 20 Schülerinnen und Schülern im Alter von 14 bis 18 Jahren in den Konzepten von Toleranz und Akzeptanz. Sie waren danach in der Lage, die Merkmale von Hassrede zu erkennen. Im Rahmen des Programms wurde auch eine größere Gruppe von Jugendlichen in „Toleranz- und Bildungsclubs“ integriert, damit sie sich aktiv an den Aktivitäten der Schulen beteiligen konnten.
Diese Toleranz- und Bildungsclubs haben eine wichtige Rolle dabei gespielt, den Schülerinnen und Schülern in dieser abgelegenen Stadt einen Raum zu eröffnen, in dem sie sich an zivilgesellschaftlichen Aktivitäten beteiligen und ein Gemeinschaftsgefühl entwickeln können, während sie gleichzeitig ihren Horizont erweitern.
Im zweiten Jahr des Programms „Jugendbotschafter gegen Hassrede 2.0“ wurde eine Gruppe von 18 Schülerinnen und Schülern darin geschult, multimediale Online-Inhalte wie Videos, Geschichten, Artikel, Fotos und Animationen zur Bekämpfung von Hassrede zu erstellen. Ziel war es, die Inhalte im Internet und in den Toleranz- und Bildungsclubs zu verbreiten.
Mohammed Aissa Lamzouwaq, Programmdirektor von „Hoffnungsschimmer“ erklärte, dass das zweite Jahr das erste ergänzt, indem es jungen Botschafterinnen und Botschaftern hilft, Schulungen zu den psychischen und sozialen Auswirkungen von Hassrede durchzuführen.
Er sagt, die Workshops hätten den Jugendlichen geholfen zu lernen, wie man Artikel schreibt, Videos bearbeitet, hochwertige und relevante Fotos macht sowie wertvolle und aussagekräftige Inhalte erstellt, die in den sozialen Medien verbreitet werden können.
Kulturelle Besonderheit und Hassrede
Lamzouwaq erklärt, dass Hassrede oder Diskriminierung in seiner Heimatstadt Kalaat Sraghna wie in jeder anderen Stadt oder jedem anderen Land auch kulturelle Besonderheiten aufweisen. Hassrede entsteht aufgrund von Stereotypen, die mit verschiedenen Teilen einer Gesellschaft verbunden werden, sagt er. „Diskriminierung basiert in dieser Stadt in der Regel auf dem Geschlecht. Deshalb zielt das Programm darauf ab, Mädchen zu befähigen, Führungsrollen zu übernehmen.“
Er fügt hinzu, dass andere Arten der Diskriminierung auf Hautfarbe, Behinderung, Ethnie oder sozialer Klasse beruhen.
Imane Rabeh, eine der Botschafterinnen des Programms, erzählt, das Training habe ihre Fähigkeiten und ihr Wissen erweitert, insbesondere was das Reden vor Menschenmengen betrifft. So kann sie eine aktive Rolle bei der Bekämpfung von Hassrede und diskriminierenden Äußerungen in ihrer Schule spielen.
Der letzte Workshop, an dem sie teilgenommen hat, wurde von dem marokkanischen Künstler und Schauspieler Saleh Ben Salah geleitet. Sie wurde in verschiedenen Arten des Geschichtenerzählens geschult, die ihr helfen sollen, sich gegen Hassrede zur Wehr zu setzen.
Die 16-jährige Khadija El Arche arbeitet derzeit an einem kurzen Video, in dem sie die Geschichten der Schüler erzählt, die in der Schule am stärksten von Hass und diskriminierenden Äußerungen betroffen sind. Darin erläutert sie auch den Unterschied zwischen Diskriminierung oder Hassrede und Meinungsfreiheit.
El Arche berichtet von ihren Erfahrungen als Botschafterin und sagt, dass sie schon immer Teil einer solchen Initiative sein wollte, da sie Zeugin mehrerer Vorfälle war, bei denen Kinder und Jugendliche Diskriminierung erleiden mussten.
Sie meint, dass sie ohne die Ausbildung, die sie erhalten hat, nicht in der Lage gewesen wäre, Botschafterin zu werden. Das Programm hat auch dazu beigetragen, den Wert der Gleichstellung der Geschlechter in der Schule zu fördern und den Mädchen eine wirksame Rolle zu geben.
Laut El Arche wird von dem neueren Programm eine größere Wirkung erwartet, da es Hassrede in den sozialen Medien mit multimedialen Inhalten bekämpft.
Für Lamzouwaq gibt es kein Patentrezept für das Ende von Hassrede. Doch die Bemühungen zu ihrer Beendigung sollten koordiniert werden und sich an mehrere Ebenen richten, zum Beispiel an Social-Media-Plattformen, herkömmliche Medien sowie Entscheidungsträgerinnen und -träger.
Er sagt, dass aufgrund der vielen von KAICIID unterstützten Initiativen „die Hoffnung lebt“.
Doch trotz des großen Erfolgs steht das Programm vor einer globalen Herausforderung in Form der Coronavirus-Pandemie, die sich auf die Art und Weise auswirkt, wie Menschen zusammenkommen und interagieren. Das bedeutet, dass es auf lokaler Ebene besonders wichtig ist, die produzierten Inhalte zu verbreiten, um sicherzustellen, dass sie das Publikum erreichen.
Zwar ist es eine schwierige Aufgabe, einen solchen Wandel herbeizuführen, um Diskriminierung und Hassrede auf der ganzen Welt zu beenden, doch die jungen Teilnehmerinnen und Teilnehmer halten dies nicht für unmöglich und sind bereit, sich den täglichen Herausforderungen zu stellen, wie zum Beispiel 20 Kilometer zu fahren, um an den Schulungen teilzunehmen.
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