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Internationaler Frauentag regt zum Nachdenken über die Rolle der Frauen im interreligiösen Dialog an
Im Jahr 2016 traf der damalige UN-Generalsekretär Ban Ki-Moon mit religiösen Führern zusammen, um den Friedens- und Entwicklungsprozess in Myanmar zu diskutieren. In einem Raum voller Männer stand Daw Kay Tu Mar Lar - eine buddhistische Nonne - auf und ergriff das Wort. Einige murmelten, dass es für eine Frau unangemessen sei, vor einer solchen Menge zu sprechen, doch sie fand eindringliche Worte. Sie seien „Friedensliebende“ und nicht nur „Friedensstifter“.
Trotz der verstörenden Ablehnung seitens der männlichen Zuhörer war Ban Ki-moon inspiriert. So erging es auch Dr. Sneha Roy. Sie ist KAICIID Fellow des Jahres 2015 und kürzlich ernannte Programmbeauftragte für Fellows.
„Das war ein Meilenstein für mich – zu erfahren, dass ich, egal was passiert, meine Meinung sagen kann und dass die Mächtigen mir zuhören werden.“
Es sind solche Momente, so Roy, die sie daran erinnern, dass die bewusste Einbindung von Frauen in den interreligiösen Dialog viel bewirken kann.
„Es ist ermutigend“, sagt sie. „Andere Frauen bei der Arbeit zu sehen, hilft einem, über die eigene Position und die eigenen Bestrebungen nachzudenken, und gibt einem ein gutes Verständnis dafür, wo wir als Frauen in diesem Prozess stehen.“
Frauen und Mädchen sind effektive und mächtige Führungskräfte und Friedensstifterinnen, die oft eine entscheidende Rolle in interreligiösen Initiativen auf der ganzen Welt spielen. Gleichzeitig stehen Frauen und Mädchen trotz der Fortschritte bei der Gleichstellung der Geschlechter immer noch vor Hürden, wenn es darum geht, im lokalen, regionalen und internationalen Dialog eine Stimme zu haben.
Anlässlich des Internationalen Frauentags hat KAICIID fünf Frauen – drei Mitarbeiterinnen und zwei Mitglieder des Direktoriums – eingeladen, darüber nachzudenken, wie Frauen und Mädchen in interreligiöse Dialoginitiativen auf der ganzen Welt eingebunden sind und wie ihre Beteiligung und Führungsrollen zu substanziellen und positiven Veränderungen führen.
Im Folgenden berichten sie über ihre unterschiedlichen Erfahrungen und kritischen Perspektiven zu den Möglichkeiten, aber auch zu den Einschränkungen, denen Frauen und Mädchen nach wie vor ausgesetzt sind.
Dr. Kezevino Aram: „Einander auf dem Weg Kraft geben“
Nach Ansicht von Dr. Kezevino Aram, Mitglied des KAICIID-Direktoriums und Präsidentin des Shanti Ashram in Coimbatore, Indien, gibt es nur sehr wenige Frauen, die an der Spitze bedeutender Institutionen des interreligiösen Dialogs stehen.
Das bedeute nicht, dass Frauen keine führende Rolle innehätten, sondern nur, dass sie oft nicht anerkannt würden.
„Frauen sollen Führungspositionen einnehmen, weil das ihr gutes Recht ist, aber auch, weil sie die Erfahrung und das Wissen von 50 Prozent der Weltbevölkerung mitbringen“, sagt Dr. Aram.
Als prominente weibliche Führungspersönlichkeit glaubt Dr. Aram, dass sie eine entscheidende Rolle bei der Initiierung von Gesprächen spielt, die unterschiedliche Perspektiven – insbesondere die von Frauen – in jedem Schritt des Dialogprozesses einbeziehen.
Dr. Aram verweist auf Mahatma Gandhi und sagt: „Eine wahre Anführerin ist jemand, der das Potenzial und die Fähigkeiten der Menschen in seinem Umfeld hervorbringt, fördert und vervielfacht.“
„Es ist keine leichte Aufgabe, aber in einem solchen Kontext leisten Frauen sehr gute Arbeit“, sagt sie. „Sie leisten einen Beitrag neben anderen wichtigen, vielfältigen Stimmen und geben einander auf dem Weg Kraft.“
Renata Nelson: „Großer Wandel in den letzten sechs Jahren“
Für Renata Nelson bedeutete dies den Aufstieg von der Referentin für Publikationen und Projektassistentin zur Leiterin der Koordinierungsstelle. Sie repräsentiert KAICIID bei seinen internationalen Kooperationen mit Organisationen wie den Vereinten Nationen (UN) und der Internationalen Partnerschaft für Religion und nachhaltige Entwicklung (PaRD).
Von diesem Blickwinkel aus betrachtet, stellt Nelson fest, dass sich viel mehr Frauen einbringen.
„In den letzten sechs Jahren hat sich ein deutlicher Wandel vollzogen“, erzählt sie. „Man denkt kreativer darüber nach, wie man gläubige Frauen auf verschiedenen Ebenen in den Dialogprozess einbinden kann.“
Dennoch, so Nelson, sei es wichtig, den Kontext zu berücksichtigen, wenn man etwas verändern wolle.
„Man darf nicht mit Erwartungen aus der eigenen Perspektive an ein Projekt in einem anderen Bereich herangehen.“
„Man muss an die Frauen denken, mit denen man arbeitet, und daran, wie sie in der Gemeinschaft funktionieren“, sagt Nelson. „Das ist der Ausgangspunkt für unsere Arbeit und dann unternehmen wir Schritte, um sie in den Prozess einzubinden.“
Frances Rose: Zuhören ist wichtig
Der erste Schritt ist oft das Zuhören, sagt Frances Rose, Projektmanagerin bei KAICIID für die Region Europa.
„In einer Gemeinschaft, in der es bisher keine Frauen in Führungspositionen gab, ist es wichtig, zuzuhören, aufzunehmen, was die Menschen über die Hürden, mit denen Frauen konfrontiert sind, erzählen, und dann zu lernen, zu wachsen und gemeinsam an Inklusion zu arbeiten.“
Rose sieht das aus erster Hand in Europa, wo KAICIID häufig in lokalen, kommunalen Kontexten arbeitet.
„Wir haben erkannt, dass viele Veränderungen auf städtischer Ebene passieren“, erklärt Rose. „Das gibt uns einen viel besseren Zugang zu weiblichen Führungskräften in lokalen Gemeinschaften.“
Zu diesem Zugang gehört auch, dass wir Feedback darüber erhalten, wie KAICIID – und andere Dialogorganisationen – sich verbessern können.
Rose sagt: „Es ist wunderbar, wenn Menschen sich engagieren, uns beobachten und uns mutig mitteilen, was wir gut machen und was wir verbessern können.“
„Wir lieben diese Art von konstruktiver Kritik und profitieren davon, den Frauen vor Ort zuzuhören.“
Dimitra Missira: Die Stimmen der Frauen werden „dringend“ gebraucht
Wenn es um die Führungsrolle von Frauen geht, müsse man Geduld haben, räumt Dimitra Missira, KAICIIDs Referentin für externe Angelegenheiten, ein. Aber es bestehe auch ein Gefühl der Dringlichkeit, weiß sie.
Missira erinnert an den Aufruf von UN-Generalsekretär António Guterres, dass das 21. Jahrhundert das Jahrhundert der Gleichberechtigung der Frauen sein sollte. „KAICIID betont, dass die Führungsrolle von Frauen und ihre Beteiligung am interreligiösen Dialog der Schlüssel zu nachhaltigem Frieden ist und dringend benötigt wird, da Konflikte und Realitäten immer komplexer werden.“
„Obwohl Frauen unverhältnismäßig stark von Ungleichheit betroffen sind, insbesondere in Zeiten der Instabilität, sind sie in der Regel die Vermittlerinnen und stehen an vorderster Front, um ihre lokalen Gemeinschaften zu unterstützen“, erklärt Missira.
Mit Verweis auf die zahlreichen Krisen in der Welt als kritische Wendepunkte für den Wandel sagt Missira: „Wir sollten den gläubigen Frauen angemessene Plattformen und Instrumente zur Verfügung stellen, auf denen sie geschätzt, gehört und respektiert werden – ohne verurteilt zu werden und wo ihre Stimmen gestärkt werden.“
Rev. Kosho Niwano: Grund zur Hoffnung
Trotz der jüngsten Fortschritte bleiben zahlreiche Herausforderungen bestehen. Religiöse Organisationen weisen weiterhin blinde Flecken auf, wenn es um die Förderung von Frauen in Führungspositionen geht. Es gilt, Vertrauen aufzubauen und Kommunikationskanäle zu öffnen. Die vollständige Integration von Frauen an der Basis und auf politischer Ebene liegt noch in weiter Ferne.
Und doch gibt es großen Grund zur Hoffnung.
Rev. Kosho Niwano, Mitglied des KAICIID-Direktoriums und designierte Präsidentin von Rissho Kosei-kai, sagt: „Die Führungspersönlichkeiten, deren Handeln zum Gemeinwohl der Menschheit (und der Welt) beigetragen hat und die die Gesellschaft auf diese Ziele ausgerichtet haben, waren nie auf ein bestimmtes Geschlecht oder eine bestimmte Generation beschränkt.“
„Jede und Jeder kann eine Führungspersönlichkeit sein.“
„Das Rollenverständnis von Frauen ist in den verschiedenen Religionen sehr unterschiedlich, aber Frauen haben eine entscheidende Führungsrolle als Hauptakteurinnen inne. Sie machen einen Unterschied in der lokalen, substanziellen Versöhnung und Friedensbildung.“
In diesem Zusammenhang ist Niwano stolz darauf, gemeinsam mit Dr. Aram als buddhistische Frau im Direktorium von KAICIID vertreten zu sein. Das Direktorium, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und die Partner von KAICIID streben zusammen danach, dass in Zukunft mehr gläubige Frauen im interreligiösen Dialog sprechen, handeln und entscheidende Beiträge leisten, erklärt sie.
Vor allem aber, so Niwano, „hoffe ich, dass sich Verständnis, Respekt und Gleichberechtigung für Frauen und durch Frauen wirklich durchsetzen, sowohl jetzt als auch in Zukunft“.