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Glaubensgemeinschaften stellen dringend benötigte Flüchtlingshilfe zur Verfügung
In den ersten drei Monaten des Jahres 2019 leistete die Basisorganisation "Jüdinnen und Juden für Gerechtigkeit in Arizona" von Rabbi Shmuly Yanklowitz humanitäre Hilfe für fast 15.000 zentralamerikanische Migrantinnen und Migranten, die in der Nähe seines Wohnsitzes in Phoenix in die USA eingereist waren, die meisten von ihnen Christinnen und Christen.
"Sich um Ausländerinnen und Ausländer, Fremde und Flüchtlinge zu kümmern, ist eine so klare Priorität in unserer heiligen Schrift. Es ist die jüdische Geschichte. Wir waren 2.000 Jahre lang Wanderer und Einwanderer, so dass diese Arbeit wirklich das abbildet, was wir sind", erläutert Shmuly.
Mehrere hundert jüdische Freiwillige arbeiten mit christlichen Gruppen und hispanischen Kirchen zusammen, um Asylsuchenden zu helfen, wie immer sie können, oft ganz spontan und ohne Vorbereitung.
"Manchmal müssen wir einfach alles liegen und stehen lassen und drauflos rennen. Wir bekommen einen Anruf, dass die US-Einwanderungs- und Zollbehörden gerade 200 bis 300 Menschen in Phoenix mit praktisch nichts am Körper abgesetzt haben, also fahren wir zum Busbahnhof oder zur Kirche, wo sie sind, und werden sofort aktiv", berichtet Shmuly. "Sie brauchen Hygieneartikel, Kleidung, Lebensmittel, Medizin, rechtliche Unterstützung, also mobilisieren wir die jüdische Gemeinde, um darauf zu reagieren. Wir haben schon Menschen gehabt, die ihr Heim für Fremde geöffnet haben, damit Asylsuchende einen Platz zum Schlafen haben. Die jüdische Gemeinde hat sich in dieser Hinsicht wirklich hervorgetan und viel geleistet."
Die Arbeit mit JüdInnen und ChristInnen ist für Shmuly, der in einem interreligiösen Haushalt aufgewachsen ist, eine Selbstverständlichkeit.
"Mein Vater ist ein Reformjude, meine Mutter eine evangelische Christin und ich bin mit beiden Glaubensrichtungen aufgewachsen. Die Familie meiner Mutter feierte Weihnachten und Ostern, dann kamen wir mit der Familie meines Vaters zu Pessach und den Rosch-Haschana-Feierlichkeiten zusammen. Meine Eltern unterstützten mich sehr bei der Wahl meines eigenen Weges", führt er aus.
Shmuly festigte seine Beziehung zum Judentum im Alter von 10 Jahren, aber sein späterer Weg innerhalb des Glaubens umfasste konservatives, orthodoxes, ultra-orthodoxes, religiös-zionistisches und progressiv-orthodoxes Judentum. Shmuly arbeitet jetzt hauptsächlich "im pluralistischen Bereich, wobei ich mit großen vielfältigen Zielgruppen arbeite und nicht nur mit denen, denen ich zustimme".
Shmulys interreligiöse Dialogarbeit begann ernsthaft in der Rabbinerschule in Israel und New York.
"Sie war weniger von theologischen Überlegungen getrieben, als vielmehr von der Heilung der Welt durch soziale Gerechtigkeit. Ich glaube, ich bin einfach zu der intellektuellen Schlussfolgerung gekommen, dass Gott viel größer ist als jede einzelne Glaubensartikulation und dass es Weisheit in verschiedenen Ansätzen gibt. Zwei Jahre lang in Israel zu studieren und der muslimischen Bevölkerung so nahe zu sein, hat mir die Augen für zwei leidenschaftliche religiöse Ansätze und Weltanschauungen geöffnet."
Shmuly hat sich weiterhin auf persönlicher Ebene mit Musliminnen und Muslimen beschäftigt - er lud neu angekommene syrische Flüchtlinge zum Thanksgiving-Essen in das Haus seiner Familie ein, und in formellerer Weise mit der "jüdisch-muslimischen Dialoggruppe in Arizona", die die Beziehungen zwischen den beiden Glaubensgemeinschaften vertiefen soll.
"Ich sah, dass junge Jüdinnen und Juden wirklich interessiert waren, sich mit Musliminnen und Muslimen zu beschäftigen, aber keine Möglichkeiten dafür hatten, also schufen wir diesen Ort. Das Ziel war der Aufbau von Beziehungen, nicht das Teilen von Theologie, sondern das gegenseitige Kennenlernen als menschliche Wesen", erklärt Shmuly.
Die Stärke dieser interreligiösen Beziehungen wurde deutlich, als beide Glaubensgemeinschaften von einer Tragödie heimgesucht wurden, zuerst mit dem Schussattentat in der Synagoge in Pittsburgh, USA, im Oktober 2018 und dann mit den Anschlägen auf Moscheen in Christchurch, Neuseeland, im März 2019.
"Unsere Gemeinschaften haben sich wirklich füreinander eingesetzt", ist Shmuly stolz. "Sie luden mich ein, zu Hunderten von Menschen in einer Moschee zu sprechen, und wir brachten einen muslimischen Partner mit, um bei unserer Mahnwache zu sprechen. Es ist beeindruckend zu sehen, dass es in der Dialoggruppe um mehr geht als nur um den Aufbau von Beziehungen. Die Gruppe hat sich in echte Solidargemeinschaft verwandelt, in der wir alle zusammenstehen. Angesichts der zunehmenden Hassverbrechen gegen Minderheiten in den USA und der häufiger vorkommenden Angriffe auf JüdInnen und MuslimInnen ist dies von entscheidender Bedeutung".
Sowohl die "Jüdinnen und Juden für Gerechtigkeit in Arizona" als auch die "Jüdisch-Muslimische Dialoggruppe" werden von Valley Beit Midrash koordiniert, einem pluralistischen Erwachsenenbildungs- und Führungszentrum, das die Kooperation und Zusammenarbeit der vielfältigen jüdischen Gemeinde Arizonas fördert. Shmuly ist der Präsident von Valley Beit Midrash und sagt, dass die Rolle des intellektuellen Think-Tanks bei der Bildung von Gemeinden heute wichtiger ist als je zuvor.
"Persönliche, bewusst-gestaltete Gemeinschaften nehmen weltweit ab und werden durch schwächere Bindungen und virtuelle Gemeinschaften ersetzt", glaubt er. "Religions- und Glaubensgemeinschaften sind einige der letzten wirklich stark vernetzten Formen der Gemeinschaft, die wir haben. Es ist entscheidend, dass wir einander verstehen und die kollektive Kraft von Glaubens- und Religionsgemeinschaften mobilisieren, um gemeinsam zu versuchen, positive Veränderungen auf der ganzen Welt zu voranzutreiben".
Shmuly setzt diese Worte in der Arbeit mit Migrantinnen und Migranten in die Praxis um.
"Als ich in Anhaltezentren war und mit Asylsuchenden gesprochen habe, war ich erstaunt, wie viel sie über ihren Glauben als Schlüsselfaktor für ihre Widerstandsfähigkeit sprechen. Ich höre diese schrecklichen Geschichten, wie sie auf ihrem Weg in die USA waren und in Honduras vergewaltigt oder in El Salvador ausgeraubt oder in Guatemala geschlagen wurden und dann irgendwie an die US-Grenze kamen und in ein Lager gesteckt wurden. Sie haben all das überstanden, den Hunger und die Misshandlungen, weil sie glaubten, dass sie nicht allein waren", erzählt er.
"Nicht allein" in einem religiösen Sinne, aber auch in Bezug auf menschliche Verbindungen und Gemeinschaft, ein Geschenk von den Freiwilligen der "Jüdinnen und Juden für Gerechtigkeit in Arizona", die so viel geben, wie sie erhalten.
"Die jüdischen Freiwilligen, die teilgenommen haben, dachten, sie würden nur helfen, aber auch sie selbst haben sich durch die Arbeit verändert. Einige hatten Angst, ihr Heim für die Aufnahme von asylsuchenden Familien zu öffnen, aber es öffnete ihnen die Augen für wirklich wunderbare Menschen", freut sich Shmuly. "Meine Hoffnung für die jüdische Gemeinschaft, die anderen hilft, ist, dass sie diese interreligiöse Zusammenarbeit als zentralen Teil ihrer Identität aufnimmt.
Shmuly hofft, dass die "Jüdinnen und Juden für Gerechtigkeit in Arizona" den Migrantinnen und Migranten helfen, Stabilität auf eine Art und Weise zu finden, die ihnen Würde gibt. Er hofft auf den Tag, an dem niemand in der Isolation leiden wird, denn er arbeitet daran, "ein spirituell verwurzeltes globales Bewusstsein der Solidarität" aufzubauen.
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