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Rabbi Goldschmidt: “Wir haben erkannt, dass wir im selben Boot sitzen"
Vom 16. bis 17. Februar trafen sich acht Mitglieder des von KAICIID unterstützten Muslimisch-Jüdischen Führungsrats (Muslim-Jewish Leadership Council - MJLC) in Wien, um über den Schutz der Religionsfreiheit in Europa zu diskutieren und darüber, wie ein besseres Verständnis und mehr Respekt für religiöse Minderheiten gefördert werden kann.
Im Verlauf des Treffens sprach KAICIID mit Imam Yahya Pallavicini, Präsident der Islamischen Religionsgemeinschaft Italiens (COREIS), und Rabbi Pinchas Goldschmidt, Präsident der Konferenz Europäischer Rabbiner (CER), über die Entwicklung der jüdisch-muslimischen Beziehungen auf globaler Ebene und darüber, wie sich dies an der Basis auswirken kann.
Als Rabbi Pinchas Goldschmidt und Imam Pallavicini 2016 erstmals den MJLC-Rat gründeten, hatten sich die jüdischen und muslimischen Beziehungen in Europa verschlechtert und die Angst in beiden Gemeinschaften stieg.
Die beiden religiösen Führer waren besonders besorgt über die zunehmende Islamophobie und den Antisemitismus auf dem ganzen Kontinent sowie über die vorgeschlagenen Politiken, die die Religionsfreiheit einschränkten.
"Leider sind beide Religionen zeitweise diskriminiert worden, auch auf politischer und rechtlicher Ebene", erklärte Imam Pallavicini.
Trotz aller deutlichen Unterschiede haben die Vertreter beider Glaubensgemeinschaften erkannt, dass sie als Minderheitengruppen in Europa oft vor den gleichen Herausforderungen stehen.
Rabbi Goldschmidt weist auf die vorgeschlagenen Beschränkungen von Praktiken wie Beschneidung oder rituelles Schlachten hin, die beiden Religionsgemeinschaften Sorge bereitet haben. "Wir haben erkannt, dass wir im selben Boot sitzen, deshalb sagten wir, wir könnten genauso gut anfangen zu kooperieren", führte Rabbi Goldschmidt aus.
In der Überzeugung, dass der MJLC-Rat der Beginn eines umfassenderen Prozesses des Dialogs und der Zusammenarbeit zwischen den beiden Glaubensgemeinschaften sowie mit europäischen Politikern sein könnte, schlossen sich die beiden Männer mit neun anderen jüdischen und muslimischen Führungspersönlichkeiten zusammen, um eine Plattform zu bilden, die sich dem Schutz der im europäischen Recht verankerten Religionsfreiheit widmet.
Rabbi Goldschmidt betont, dass der MJLC für Europa lebenswichtig ist, weil "auf diesem Kontinent dutzende Millionen von Muslimen und Millionen von Juden leben". Er ist sich auch sicher, dass die interreligiöse Zusammenarbeit zwischen diesen beiden großen Gemeinschaften unverzichtbar geworden ist, um die Sicherheit für alle zu gewährleisten, insbesondere an der Basis.
Dies fand er insbesondere bei einem kürzlichen Treffen in Berlin mit Scheich Mohammed al-Issa, dem Generalsekretär der Muslimischen Weltliga, der sich zum Gedenken an den 75. Jahrestag der Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz-Birkenau in Deutschland aufhielt. Bei einem abendlichen Spaziergang wurde Rabbi Goldschmidt von drei arabischen Jugendlichen konfrontiert, die ihn fragten, ob er Jude sei.
"Ich sagte ja und fragte sie, ob sie Muslime seien. Sie sagten ja. Zunächst wollten sie die Situation anheizen." Bei dem Versuch, zu deeskalieren, nahm Rabbi Goldschmidt sein Telefon heraus und zeigte ihnen ein Foto, das er zuvor mit Scheich al-Issa aufgenommen hatte.
"Ich sagte ihnen, dass wir zusammengekommen seien, um die Beziehung zwischen Juden und Muslimen zu diskutieren. Am Ende haben wir alle zusammen ein Selfie gemacht. Das ist genau das Ziel des MJLC", erklärte er.
Sowohl Imam Pallavicini als auch Rabbiner Goldschmidt sind überzeugt, dass die Arbeit des MJLC im Laufe der Zeit die Basisebene verändern wird.
"Was wir mit der MJLC erreichen möchten, ist die Sensibilisierung für die jüdische und muslimische religiöse Identität und die Arbeit dieser beiden Religionsgemeinschaften in Europa", sagte Imam Pallavicini.
Er ist ferner überzeugt, dass der MJLC ein Beispiel für andere Länder und Regionen auf der ganzen Welt sein könnte. "Wir zeigen, dass zwei europäische religiöse Minderheiten tatsächlich als Brüder zusammenarbeiten, um gemeinsam ihre Rechte als europäische Bürger und als religiöse Gläubige zu verteidigen und dabei Ignoranz, Diskriminierung und Manipulation zu vermeiden", erklärte Imam Pallavicini.
Seiner Ansicht nach verkörpert der MJLC die Ideen der Gründerväter des heutigen vereinten Europas. "Menschen wie Konrad Adenauer, Robert Schuman oder Alcide de Gasperi wollten, dass sich das Konzept der Freiheit innerhalb der universellen Werte des Respekts entwickelt. Einheit in Vielfalt muss unser Ziel sein", meinte er.
Rabbi Goldschmidt stimmt dem zu und argumentiert, dass die Unterstützung des religiösen Pluralismus Gewalt verhindern kann, wie zum Beispiel den Angriff auf eine Synagoge in Halle, Deutschland, im vergangenen Jahr: "Wenn wir möchten, dass unsere Kinder sich frei auf den Straßen Europas bewegen können, ohne mit Steinen beworfen zu werden, wenn wir wollen, dass unsere Gläubigen in Synagogen oder Moscheen beten können, ohne Angst haben zu müssen, getötet zu werden, müssen wir zusammenarbeiten".