Laut Rabbi Alex Goldberg hat er seine Karriere "umgekrempelt". Sein Lebenslauf weist eine außergewöhnliche Liste von Tätigkeiten aus, darunter BBC-Radiomoderator, Menschenrechtsaktivist, CEO und Anwalt. Goldberg verfolgte die rabbinische Ausbildung erst, nachdem er Kaplan an der Universität von Surrey wurde.
Heute ist er der erste und einzige Rabbiner in Großbritannien, der koordinierender Kaplan an einer großen Universität ist - eine Rolle, die traditionell der Church of England vorbehalten war.
Basierend auf seinen Erfahrungen mit dem KAICIID Fellows Programm hat Goldberg ein inklusives und vielfältiges Seelsorgemodell entwickelt, das das sich verändernde Gesicht Großbritanniens widerspiegelt. Das monokulturelle Surrey seiner Jugend gibt es so nicht mehr. An seine Stelle ist eine Gemeinde des 21. Jahrhunderts getreten, mit vielen religiösen, ethnischen und ideologischen Perspektiven.
„Wir sind wahrscheinlich das vielfältigste Team an einer führenden Universität. Wir versuchen, uns unter den etwa 17.000 Studierenden und 2.000 Mitarbeitenden zu engagieren und Programme zu produzieren, die von Bedeutung sind“, erklärt Rabbi Goldberg.
Goldbergs Team hat sich verdoppelt, seit er vor zwei Jahren der koordinierende Kaplan und Dekan für religiöses Leben und Glauben wurde. Es umfasst nun 24 Mitglieder, darunter 15 Geistliche aus acht Weltreligionen und der humanistischen Tradition.
Im Jahr 2019 rief Rabbi Goldberg ein interkulturelles und interreligiöses Gemeinschaftszentrum an der Universität Surrey ins Leben. Das "Roundhouse Zentrum für Glaube und Reflexion" soll die wachsende Zahl von Studierenden aus Baháʼí-, christlichen, hinduistischen, jüdischen, muslimischen und Sikh-Gemeinschaften unterstützen.
Online-Seelsorge für Studierende während der COVID-19-Pandemie
Während der COVID-19-Pandemie wurde dieses Engagement für interreligiöse Inklusion auf die Probe gestellt. Goldberg und sein Team suchten nach kreativen Möglichkeiten, um Seelsorge zu leisten und den Studierenden bei der Einhaltung wichtiger Rituale und Feiertage zu helfen.
Der Rabbi erkannte, dass sich die Tätigkeiten stark verändern würden. Folglich entwarf er einen zwölfmonatigen Krisenplan, um Mitarbeitende und Studierende während der Pandemie zu unterstützen.
In Zusammenarbeit mit Studierenden des TV-Studios der Universität richtete Goldberg einen räumlich abgegrenzten Bereich ein, von dem aus die Seelsorgerinnen und Seelsorger digital über den Campus senden konnten. Seitdem sendet sein Team ohne Unterbrechung, manchmal mit 18 Sendungen pro Woche, besonders während wichtiger religiöser Feiertage wie Pessach, Ostern, Vaisakhi, Vesak, Ramadan und nicht-religiöse humanistische Feiertage.
„Über 10.000 Studierende pro Woche hören zu. Bei meinen ersten Überlegungen zu Shabbat waren 3.000 Menschen dabei. Es ist bewegend zu sehen, wie unser Team zusammenarbeitet und die Sendungen des jeweils anderen produziert“, so Goldberg.
Trotz des Erfolges ihrer digitalen Reichweite wurde dem Rabbi schnell klar, dass es keinen Ersatz für den persönlichen Kontakt gibt. Viele der Studierenden kämpften mit Isolation, Einsamkeit und Angst. Goldberg und seine Kollegenschaft verbrachten jeden Tag Stunden damit, Mitarbeitende und Studierende anzurufen. Sie spendeten ihnen Worte des Trosts und der Fürsorge, um das tiefe Gemeinschaftsgefühl zu erhalten.
Sie arbeiteten auch mit der Küche der Universität zusammen, um internationales Essen anzubieten, damit sich die Studierenden mehr wie zu Hause fühlen konnten. Zum Beispiel während des Ramadans boten sie für 1.500 muslimische Studierende ein Abendessen (Iftar) zum Abholen an. „Die jungen Menschen stellten sich in einem Abstand von zwei Metern an, nahmen ihr Essen mit auf ihr Zimmer und teilten es mit ihrem festen ‚Prayer Buddy‘“, so Goldberg.
Im Dezember dieses Jahres wurde Goldberg als erster Kaplan in der Geschichte der Universität bei den Vice-Chancellors Awards der Universität Surrey mit dem „Preis für Gleichberechtigung, Diversität und Inklusion“ ausgezeichnet. Der Preis ist ein Beweis für die Wirkung der Bemühungen des Seelsorgeteams, insbesondere im Angesicht einer globalen Pandemie.
„Ich sehe dies als Anerkennung für unser gesamtes Team, den unermüdlichen Einsatz für die Schaffung eines Gemeinschaftsgefühls während der COVID-19-Pandemie, die Bereitschaft, sich auf neue Ideen und Technologien einzulassen, sich weiter zu öffnen, um die vielfältigen Menschen zu umarmen und unseren Mitarbeitenden und Studierenden voll und ganz zu dienen“, so Goldberg.
Einen Beitrag zum interreligiösen Dialog und zur Konfliktlösung auf globaler Ebene leisten
Die Grenzen, die Goldberg durchbrochen hat, gehen jedoch weit über seine Rolle als Seelsorger hinaus. Im Jahr 2019 war er der erste Rabbiner, der die zweitgrößte Stadt des Libanons, Tripoli, seit über 40 Jahren im Rahmen des Programms der Europäischen Union für Religion und Gesellschaft besuchte. In der Stadt, die einst eine blühende jüdische Bevölkerung beherbergte, gibt es nach Jahren des Krieges und Konflikts keine jüdische Präsenz mehr.
Goldberg wollte „Freunde gewinnen und nicht Geschichte schreiben“, als er den Großmufti, den orthodoxen und den katholischen Erzbischof der Stadt traf, um mehr über den Nahen Osten und sein „reiches, komplexes Geflecht religiöser und politischer Identitäten“ zu erfahren, erklärte er.
„Ich glaube, dass man nur, wenn man die Sichtweise des anderen auf die Vergangenheit versteht, darauf hoffen kann, sie miteinander zu verweben, um eine gemeinsame Zukunft zu schaffen.“
Seine Reise in den Libanon und sein Engagement im Alumni-Netzwerk der Fellows inspirierten Goldberg dazu, einen Beitrag zum globalen interreligiösen und interkulturellen Dialog und zur Konfliktlösung zu leisten. Zu diesem Zweck diente er als Vorsitzender des „Glaubensnetzwerks für den englischen Fußballverband“, um arabische und jüdische Menschen in Israel und Palästina durch Fußball zusammenzubringen.
„Durch KAICIID habe ich Menschen getroffen, die in Kriegsgebieten auf der ganzen Welt arbeiten. Das hat mir die Augen dafür geöffnet, dass ich wahrscheinlich eine Rolle in der internationalen Konfliktlösung spielen kann“, so der Rabbi.
Goldberg leitete kürzlich auch das Transatlantische Dialogprogramm, das KAICIID Fellows zusammenbrachte, um die Dynamik städtischer Konflikte in multiethnischen und multireligiösen Gebieten in europäischen und amerikanischen Großstädten zu untersuchen.
„Das Programm betrachtete sehr unterschiedliche Modelle, wie interreligiöser Dialog die Gesellschaft beeinflussen kann und wie er helfen kann, Menschen in großen urbanen Gebieten zusammenzubringen, was zu Aktionen und Veränderungen vor Ort führt.“
Goldberg sieht diese Art von sozialem Engagement, sowohl durch seine Arbeit mit dem Seelsorgeteam als auch mit dem Fellows-Netzwerk, als eine Chance, von verschiedenen Überzeugungen zu lernen. Er hofft, dass er diese Lektionen an seine Mitarbeitenden und Studierenden weitergeben kann, damit auch sie die Welt mit den Augen des "Anderen" sehen können.
Für Goldberg sind es diese Begegnungen, die am bedeutsamsten sind. „Ich liebe es, der Dekan des College of Chaplains und der koordinierende Kaplan am Zentrum für religiöses Leben und Glauben zu sein. Es waren die erfüllendsten zwei Jahre meines Lebens.“
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