Dr. Mark Owen ist seit Mai 2017 Generalsekretär des „Europäischen Rates der Religionsführer“ (ECRL) und Direktor des „Zentrums für Religion, Versöhnung und Frieden“ an der Universität Winchester in Großbritannien. Seine aktuelle Forschung konzentriert sich auf die Entwicklung innovativer und evidenzbasierter Methoden zur genauen Untersuchung der potenziellen Rolle, die religiöse Akteurinnen und Akteure in Friedens- und Versöhnungsprozessen in einem bestimmten Kontext spielen können. Als Teilnehmer der europäischen Konsultationen des Interreligiösen G20-Forums analysiert Mark, wie religiöse Führerinnen und Führer am besten in nachhaltige Entwicklung und Politikgestaltung einbezogen werden können.
Es ist überaus spannend sich aktuell in den Bereichen Religion, Friedensförderung und Entwicklung zu engagieren. Wollen wir jedoch den Beitrag der Religionen zur Friedensförderung und Entwicklung weiter verbessern, müssen wir unser Wissen erweitern und die Themensetzung mit Regierungsinstitutionen und -organisationen erarbeiten.
Als wir vor weit über einem Jahrzehnt unsere Arbeit im „Zentrum für Religion, Versöhnung und Frieden“ begannen, war die Einstellung zur Religion ganz anders als heute. Es war nicht einfach, sich für die Einbeziehung religiöser Akteurinnen und Akteure in Friedensförderung, Entwicklung und Diplomatie einzusetzen.
Friedensförderung und Entwicklung
Viele Regierungen zögerten, mit religiösen Institutionen und interreligiösen Organisationen zusammenzuarbeiten. Der Sektor der Friedensförderung und Entwicklung tendierte dazu, sie in ihr Engagement mit "zivilgesellschaftlichen Akteurinnen und Akteuren" einzubeziehen. Doch dabei wurde das große Potenzial der Religionen wohl oft ignoriert oder geschmälert.
Es ist bemerkenswert, wie sich die Situation in relativ kurzer Zeit verändert hat. Regierungen, Fachleute sowie politische Beraterinnen und Berater scheinen manchmal fast zu konkurrieren, um ihre Bereitschaft zur Zusammenarbeit mit religiösen Persönlichkeiten und Organisationen unter Beweis zu stellen.
Glaubensbasierte Initiativen haben in den Bereichen Entwicklung und Friedensaufbau stark zugenommen. Es gibt höchst lobenswerte Beispiele und positive Ergebnisse.
Das Interreligiöse G20-Forum ist ein hervorragendes Beispiel dafür, was erreicht werden kann, wenn religiöse Persönlichkeiten und Vertreterinnen und Vertreter aus Wissenschaft, Politik und Wirtschaft zusammenarbeiten. So können sorgfältig durchdachte und relevante Empfehlungen für Regierungs- und Staatsoberhäupter erarbeitet werden.
Trotz der erlangten Akzeptanz dürfen wir uns, die in diesem Bereich arbeiten, nicht auf unseren Lorbeeren ausruhen. Es zeigt sich, dass Popularität und Erfolg ihre eigenen Herausforderungen und Versuchungen mit sich bringen. Wir müssen vorsichtig sein und unsere Unzulänglichkeiten mit Ehrlichkeit und Bescheidenheit anerkennen.
Als Akademiker und als Praktiker ist für mich erkennbar, dass unser Verständnis äußerst unzureichend ist, wann und wie Religion am besten zur Friedenskonsolidierung, Versöhnung und Entwicklung beitragen kann.
Religion leistet wichtigen Beitrag
Wir wissen, dass Religion unter den richtigen Bedingungen einen wesentlichen Beitrag zur Schaffung von Frieden und zur Förderung der Nachhaltigen Entwicklungsziele der Vereinten Nationen (SDGs) leisten kann. Es gibt jedoch nur wenige solide evidenzbasierte Studien, die überzeugend belegen, worin diese Bedingungen bestehen und wie sie in unsicheren und komplexen Kontexten am besten erreicht werden können. In diesem Bereich ist noch viel mehr Arbeit erforderlich.
Viele neue Akteurinnen und Akteure haben dringend benötigte Ressourcen und Möglichkeiten mitgebracht. Doch ihr Engagement hat unsere Sprache über Religion in gewissem Maße negativ beeinflusst.
Wir wissen, dass Verallgemeinerungen über "Christen", "Hindus" und "Muslime" die äußerst komplexen und dynamischen Religionsgemeinschaften, mit denen wir arbeiten, nicht korrekt wiedergeben. In ähnlicher Weise ist der religiöse Einfluss in der Friedensförderung und Entwicklung oft subtil, komplex und nuanciert. Selten geht es nur darum, religiöse Führerinnen und Führer für unsere Sache zu gewinnen oder heilige Schriften zu zitieren.
Jedoch gibt es die Versuchung, wenn man mit Menschen arbeitet, die mit Religion nicht vertraut sind, Sprache, Identitäten und Konzepte zu vereinfachen, um die Kommunikation und das Verständnis zu erleichtern.
Die Gefahr dabei ist, dass es bei der effektiven Arbeit mit Religionsgemeinschaften gerade darum geht, die kontextuelle Komplexität und Vielfalt zu erkennen und mit ihr zu arbeiten und Stereotypen und Reduktionismus zu vermeiden.
Diese komplexen Sachverhalte in einer klaren und effektiven Weise an nicht-spezialisierte Partnerorganisationen zu vermitteln, ist eine große Herausforderung. Für das langfristige Wohlergehen unserer Arbeit ist es jedoch von entscheidender Bedeutung, dass wir Regierungen, Friedensförderungs- und Entwicklungsorganisationen sowie Spenderinnen und Spendern helfen, sich von einem vereinfachenden Verständnis der Auswirkungen von Religion auf Friedens- und Entwicklungsprozesse zu lösen.
Meiner Erfahrung nach bringt das Interreligiöse G20-Forum Menschen mit unterschiedlichstem Hintergrund zusammen. Sie erkennen diese Herausforderungen erkennen und setzen sich für deren Bewältigung ein.
Es ist daher wichtig zur Stärkung des Forums beizutragen. Ich freue mich und fühle mich geehrt, zu dieser äußerst wichtigen Initiative beitragen zu dürfen.