Für den Koordinator der Initiative, Abdullah Al Jbour, war die Auseinandersetzung mit dem Buch „Tödliche Identitäten“ von Amin Maalouf eine Offenbarung im Bereich der zeitgenössischen Literatur. Die Aktualität dieses Werks im Hinblick auf das komplizierte Geflecht von Identitäten und politischen Wirren, das die arabische Region prägt, ist unbestreitbar. Das im Jahr 1998 veröffentlichte Buch über die Zersplitterung und die Identitätspolitik nach dem langjährigen Bürgerkrieg im Libanon zeigt, dass Identität in der arabischen Welt immer noch tödlich und auf gefährliche Weise mehrdeutig sein kann. Maaloufs Untersuchung der fragmentierten Identitäten und der daraus resultierenden Identitätspolitik erfährt auch heute noch einen starken Widerhall und unterstreicht, dass die Identitäten in der arabischen Welt sowohl komplex als auch potenziell unbeständig bleiben.
Abdullah begab sich, angetrieben von der Vision eines harmonischen Zusammenlebens, auf eine bemerkenswerte Reise. In seiner Funktion als Autor und Forscher am jordanischen Citizenship Center sowie als Berater für den jordanischen Radiosender Annaja7 entwickelte er ein wirkungsvolles Medium zur Bewältigung der komplexen Probleme – einen Podcast.
Abdullah stellt scharfsinnig fest, dass „die Identitätspolitik die Menschen beherrscht und sie gar polarisiert“. Mit Blick auf einen arabischen Film der renommierten Regisseurin Nadine Labaki warf er eine wichtige Frage auf: „Wie geht es jetzt weiter?“ Abdullah erklärt, dass „wir in unseren religiösen und ethnischen Identitäten so verstrickt sind, dass wir manchmal keinen Weg für eine Koexistenz sehen“, was folglich den Weg zu einem friedlichen Zusammenleben verstellt.
Das visionäre Projekt, das in Zusammenarbeit mit dem Internationalen Dialogzentrum KAICIID, Annaja7 Radio und dem Citizenship Center entstand, wurde zum „Podcast der Identitäten: Dialog für Diversität in der arabischen Welt“. Er besteht aus zehn sorgfältig kuratierten Episoden und ist eine Hommage an die vielfältigen Identitäten in der arabischen Welt.
Insgesamt wurden 10 Folgen des Podcasts produziert und veröffentlicht: https://linktr.ee/identity.podcast
In diesen zehn Episoden wurde ein virtueller Raum zum Lernen und Verstehen geschaffen. Er wirft ein Licht auf die religiösen und kulturellen Zugehörigkeiten, die die arabische Welt prägen. Von den Amazigh [Kel Tamasheq] in der Maghreb-Region bis hin zu den Sabiern, Tscherkessen, Baha'is, schiitischen Muslimen und der jesidischen Gemeinschaft erkundet der Podcast ein reiches Spektrum. Darüber hinaus befasst sich der Podcast mit den einzigartigen, vielfältigen Gemeinschaften im Libanon, Irak und Syrien.
In jeder Folge waren Expertinnen und Experten sowie Meinungsbildnerinnen und Vordenker zu Gast auf der virtuellen Bühne. In aufschlussreichen Gesprächen räumten sie akribisch mit falschen Vorstellungen und Vorurteilen auf, nicht nur um des Wissens willen, sondern um die Geschichte richtig zu stellen.
Schon in der ersten Folge, in der die Geschichten der irakischen sabischen Gesellschaften vorgestellt wird, spüren die Zuhörerinnen und Zuhörer Abdullahs unermüdliche Hingabe. Der Autor betont: „Der Podcast ist ein bedeutender Schritt in die Zukunft, aber es müssen weitere Initiativen folgen, um den Prozess in Gang zu halten.“
Die Wirkung dieser Erzählungen ging weit über die Ausstrahlung hinaus. Der Podcast machte sich die enorme Reichweite der sozialen Medien zunutze.
Abdullah drückt es so aus: „Es ist nicht nur ein Podcast, es ist eine Bewegung“. Das Projekt wurde zu einer Brücke, die das Verständnis zwischen verschiedenen kulturellen und religiösen Minderheiten fördert.
Die Vision des Radiosenders Annaja7 geht über die Grenzen des Podcasts hinaus. Sie zielt nicht nur darauf ab, falsche Vorstellungen richtig zu stellen, sondern auch Narrative in den Medien im Allgemeinen neu zu gestalten. Dieser Projektpartner ist der Ansicht, dass Initiativen wie diese für andere Medien wichtig sind, da sie ihnen ein tieferes Verständnis für verschiedene religiöse und ethnische Gruppen vermitteln und ihre Berichterstattung nuancieren. Initiativen wie der Podcast machen es anderen Medien schwerer, nicht objektiv zu berichten.
Abdullah weist darauf hin, dass „Hassrede oder Stereotypisierung täglich in den Medien vorkommen, oft unbeabsichtigt“. Er versichert, dass der Podcast durch die Förderung des Verständnisses für verschiedene ethnische Gruppen die Messlatte für eine verantwortungsvolle Berichterstattung höher gelegt hat, so dass es für die Medien schwieriger wird, unwissentlich Vorurteile aufrechtzuerhalten.
Abdullah unterstreicht, dass die Auseinandersetzung mit solchen Themen im digitalen Bereich größte Bedeutung hat. Viele Fälle von ethnischer Gewalt haben ihren Ursprung in der digitalen Welt, bevor sie in die reale Welt übergreifen. Abdullah hält fest, dass die meisten ethnischen Gewalttaten heute in den sozialen Medien ihren Ursprung haben und anschließend auf der Straße eskalieren.
Der Podcast ist zwar ein beeindruckendes Werk, dient aber nur als Prolog. Das ethnische und religiöse Geflecht der arabischen Welt ist kompliziert und umfangreich, so dass weitere Staffeln und Episoden erforderlich sind, um es vollständig zu beleuchten.
Der Podcast der Identitäten ist ein Beleg für die Mission des Dialogue 360-Projekts, das im Jahr 2020 ins Leben gerufen wurde, um lokale Dialoge als Stützen des Friedens zu stärken. In einer Zeit, in der Spaltungen schnell eskalieren können, zeigt Abdullahs Arbeit, wie wichtig das Erzählen von Geschichten für die Versöhnung ist.
Mit dem Podcast hat Annaja7 Radio erreicht, was viele anstreben: die Überwindung von Gräben, die Beseitigung von Unwissenheit und die Förderung von Verständnis. Diese Geschichte ist eine dauerhafte Quelle der Inspiration, ein Beweis für die transformative Kraft der Kommunikation und der Medien und ein Leuchtfeuer der Hoffnung für eine harmonischere Zukunft in der arabischen Welt.