Während eines Interviews im September 2021 wurde Anas Alabbadi, stellvertretender Leiter von KAICIIDs Programmabteilung, von einer Nachrichtenmeldung abgelenkt, die über seinen Bildschirm flimmerte. Die deutsche Polizei hatte gerade einen Anschlag auf eine Synagoge in Hagen, einer Stadt östlich von Düsseldorf, Deutschland, verhindert.
Nach dem verheerenden Anschlag auf eine Synagoge in der ostdeutschen Stadt Halle im Jahr 2019 wurde Alabbadi erneut bewusst, wie wichtig es für KAICIID ist, Projekte zu unterstützen und zu fördern, die den Schutz religiöser Stätten unterstützen.
„Wir glauben, dass es den Menschen in Übereinstimmung mit der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte überall erlaubt sein muss, ihren Glauben in Frieden auszuüben. Dass religiöse Stätten und alle Orte der Anbetung und Kontemplation sichere Räume sein sollten und nicht Orte des Terrors oder Blutvergießens.“
Überall auf der Welt nehmen die Angriffe auf Gotteshäuser und heilige Stätten zu.
So berichtete die Katholische Bischofskonferenz der Vereinigten Staaten im Juli 2020, dass es allein seit Mai 2020 97 Angriffe auf Kirchen in den USA gab.
In der französischen Stadt Rennes wurden im April letzten Jahres die Wände einer Moschee mit islamfeindlichen Graffiti beschmiert. Im August 2021 wurde ein Hindu-Tempel in der abgelegenen Stadt Bhong in der ostpakistanischen Provinz Punjab verwüstet.
Die Liste ließe sich, wie man sagt, endlos fortsetzen.
Religiöse Stätten sind sehr wichtig und daher besonders gefährdet, so Alabbadi. „Wir wollen sicherstellen, dass religiöse Stätten geschützt werden, damit sie weiterhin als Vermittler positiven Friedens dienen können.“
Angesichts des globalen Ausmaßes der Angriffe unterstützt KAICIID aktiv Projekte zum Schutz religiöser Stätten von Afrika bis Asien, von Europa bis zum Nahen Osten.
Als die Allianz der Zivilisationen der Vereinten Nationen (UNAOC) damit begann, einen Aktionsplan zu entwickeln, um auf die Zunahme von Angriffen auf religiöse Stätten nach dem Blutvergießen in Moscheen in Christchurch, Neuseeland, im Jahr 2019 zu reagieren, leistete KAICIID sofort Unterstützung. Die Hintergrundrecherche von KAICIID umfasste die Zusammenstellung von Zitaten aus religiösen Texten für das Vorwort, Informationen über die Arbeit der UNESCO zum Schutz religiöser Stätten und Empfehlungen zur Prävention von Anschlägen im Zuständigkeitsbereich der UNESCO.
Das Ergebnis war der „Aktionsplan zum Schutz religiöser Stätten“. In der Präambel heißt es: „Der Plan stellt einen globalen Aufruf dar, uns auf die grundlegenden Prinzipien der Menschlichkeit und Solidarität zu besinnen und die Unantastbarkeit aller religiösen Stätten sowie die Sicherheit aller Gläubigen zu bekräftigen, die die Gotteshäuser im Geiste des Mitgefühls und des Respekts besuchen.“
Für Alabbadi liegt die größte Stärke des Aktionsplans in der systematischen Herangehensweise an das Thema der Angriffe und seiner Konzentration auf Prävention und Reaktion.
„Der Schwerpunkt liegt auf der Aufklärung, der Bekämpfung von Hassrede – auch in den sozialen Medien – und der Bereitschaft, im Falle eines Angriffs Hilfe und Unterstützung zu leisten“, so Alabbadi.
„Die Umsetzung solcher Empfehlungen erfordert eine bessere Zusammenarbeit zwischen politischen Entscheidungsträgerinnen und -trägern und religiösen Akteurinnen und Akteuren. Religiöse Persönlichkeiten können bei der Entwicklung und Umsetzung von Maßnahmen zum Schutz heiliger Stätten einen großen Beitrag leisten.“
Zu diesem Zweck hat KAICIID in den letzten zwei Jahren Projekte in der arabischen Welt unterstützt, die die Friedensförderung und den Schutz heiliger Stätten miteinander verbinden. Zu diesen Projekten gehörten die Entwicklung einer Handy-App in Algerien und Trainings für Jugendliche in Tunesien.
In Indonesien organisierte KAICIID gemeinsam mit der Organisation für Islamische Zusammenarbeit (OIC) die "Jakarta-Konferenz 2019", bei der religiöse Führerinnen und Führer mit politischen Entscheidungsträgerinnen und -trägern aus ganz Südostasien zusammenkamen, um die Herausforderungen und Möglichkeiten für den Schutz heiliger Stätten zu diskutieren.
Das Ergebnis war die "Jakarta-Erklärung: Gemeinsam für Vielfalt - Dialog in Aktion", die eine kollektive Verpflichtung enthält: zur Anerkennung, zum Erhalt und zum Schutz von „spirituellem Erbe und religiösen Stätten, die von Gläubigen in Frieden und Harmonie genutzt werden können“.
In Afrika unterstützte KAICIID in Zusammenarbeit mit der Afrikanischen Union zwölf Projekte, die von Mitgliedern des Interreligiösen Dialogforums (AU-IFDF) organisiert wurden und sich speziell mit dem Schutz heiliger Stätten befassen.
Agustin Nuñez, KAICIIDs leitender Programm-Manager für die Region Afrika, erklärte, das Kernthema der Afrikanischen Union für 2021 sei die Förderung des kulturellen Erbes, einschließlich des Schutzes heiliger Stätten.
Die Partnerschaft soll sowohl religiöse als auch zivilgesellschaftliche Akteurinnen und Akteure mit Politikerinnen und Politikern zusammenbringen, um Bewusstsein zu schaffen und sich für die Entwicklung regionaler Mechanismen in Afrika einzusetzen“, so Nuñez.
Zu den Projekten gehört eines in Dschibuti, wo mit Unterstützung von KAICIID religiöse Führerinnen und Führer, Dorfälteste, Jugendliche, zivilgesellschaftliche Organisationen und NGOs zusammenarbeiten, um eine Plattform für die Zusammenarbeit bei der Bewahrung und Erneuerung lokaler religiöser Werte zu schaffen. Zu ihren Prioritäten gehört vor allem die Erhaltung der heiligen Stätten in dem ostafrikanischen Land.
„Solche Projekte tragen nicht nur konkret zum Schutz religiöser Stätten bei, sondern fördern auch ein friedliches, sicheres Afrika, dessen Entwicklung von den Menschen, insbesondere von Frauen und Jugendlichen, vorangetrieben wird“, erklärt Nuñez.
In Nigeria, in der Stadt Jos, erzählt Pfarrer Zaka Ahuche Peter, wie seine Ausbildung als KAICIID Fellow ihn befähige, dasselbe in seinem Land zu tun.
Das Fellows-Training beinhaltet „Ausbildungsmodule über die symbolische Bedeutung heiliger Stätten und stärkt die Fähigkeit der Fellows, diese Bedeutung zu vermitteln und angespannte Situationen durch Bildung und die Schaffung von Raum für Dialog zu entschärfen“, erklärt Alabbadi.
Laut Peter habe seine Beziehung zu einem KAICIID Fellow eines anderen Glaubens, Fatima Madaki, den „menschlichen Faktor“ jenseits von Misstrauen offenbart und dazu beigetragen, die Widerstandsfähigkeit und den gegenseitigen Respekt für den „Anderen“ zu fördern. Er sagt, diese Art von Beziehungen seien von entscheidender Bedeutung, da „die Angriffe auf religiöse Stätten in Nigeria nicht nachzulassen scheinen“.
„Es ist eine Tatsache, dass Unwissenheit, Fanatismus und fehlende Gottesfurcht für die Zerstörung heiliger Stätten verantwortlich sind. Aber in Zusammenarbeit mit religiösen Führern und der Ausbildung durch KAICIID sind wir in der Lage, die richtigen Lehren zu verbreiten“, mahnt Pfarrer Peter.
Weiter südlich, im nigerianischen Bundesstaat Kaduna, erhielt Mugu Zakka Bako von KAICIID eine finanzielle Förderung für die Jahre 2021-2022, um interreligiösen Dialog zwischen der lokalen Regierung, zivilgesellschaftlichen Organisationen und Gemeindevorstehern zu organisieren und kohärente Narrative als Antwort auf gewalttätigen Extremismus stärken.
Bako, ein aktiver und ausgebildeter Friedensstifter, dessen Leidenschaft für Gewaltfreiheit als Konfliktlösung durch die persönliche Gewalt gegen seine Familienmitglieder geprägt wurde, sagt: „Wir sind von vielen Konflikten um natürliche Ressourcen und aus ethnisch-religiösen, politischen und wirtschaftlichen Gründen heimgesucht worden.“
Zu den Konflikten gehören zahlreiche Angriffe auf religiöse Stätten. „In jüngster Zeit wurden Kirchen und Moscheen in Plateau und einigen Teilen des Bundesstaates Kaduna angezündet. Die ständigen Angriffe schaffen Unsicherheit, und diese Unsicherheit ist eine der größten Herausforderungen Nigerias.“
Im Rahmen seiner von KAICIID finanzierten interreligiösen Dialoge nimmt Bako die Teilnehmerinnen und Teilnehmer zu Besuchen verschiedener religiöser Stätten mit.
Die Reaktionen, so Bako, seien überwältigend gewesen. „Das Ergebnis war die Förderung der Widerstandsfähigkeit in den Gemeinden, in denen ich gearbeitet habe. Es hat den religiösen Führerinnen und Führern geholfen, Möglichkeiten zur Bewältigung zu entwickeln und sich der Notwendigkeit bewusst zu werden, dass sie ihre religiösen Stätten schützen müssen.“
„Heute arbeiten sie an interreligiöse Gruppen, in denen christliche Gläubige die Gebetsstätten der Muslime schützen, während die Muslime das Gleiche für die Christen tun“, erzählt er.
Diese Art von Programmen sind besonders wirkungsvoll. Mit Blick auf die Ausweitung solcher Initiativen in der arabischen Region und in Europa in den kommenden Jahren meint Alabbadi: „Wenn Imame, Priester und andere religiöse Führerinnen und Führer einander in schwierigen und guten Zeiten besuchen, signalisiert das der Gemeinschaft, dass es in Ordnung ist, wenn sie das Gleiche tun.“
„Diese Ebene der Beziehung ist das, was wir als positiven Frieden bezeichnen, nämlich andere zu besuchen und zu wissen, was hinter den Mauern ist.“
„Es ist einfach, negative Geschichten darüber zu glauben, was hinter diesen Mauern geschieht, wenn man immer nur außen steht“, sagt Alabbadi. „Aber wenn man erst einmal hineingeht und den heiligen Ort eines anderen mit eigenen Augen sieht, ist das eine tiefgreifende, lebensverändernde und lebensbejahende Erfahrung.“