Hunderte hochrangige politische, diplomatische, wissenschaftliche und religiöse Führungspersönlichkeiten versammelten sich beim Interreligiösen G20-Forum in Bologna, Italien, um interreligiöse Lösungen für globale Herausforderungen wie die COVID-19-Pandemie, Armut, Migration, Konflikte und Klimawandel zu diskutieren.
Das Interreligiöse Forum fand vom 12. bis 14. September statt und wurde von der G20 Interfaith Association und der Fondazione per le Scienze Religiose (FSCIRE) unter Mitwirkung des italienischen Außenministeriums, KAICIID und weiteren Partnern organisiert. Das Dialogzentrum KAICIID ist seit dem Jahr 2017 eng mit dem Interreligiösen Forum verbunden und hat die vergangenen Gipfeltreffen in Deutschland, Japan und Argentinien unterstützt. Das Zentrum war auch einer der Hauptorganisatoren des Forums im Jahr 2020 in Riad, Saudi-Arabien.
Zum Auftakt des diesjährigen Interreligiösen Forum sprach Generalsekretär Faisal bin Muaammar vor mehr als 300 Teilnehmerinnen und Teilnehmern bei einer Podiumsdiskussion mit dem Titel „Dialog über Dialog“.
Laut bin Muaammar müssen die Glaubensgemeinschaften ihre Partnerschaften mit politischen Entscheidungsträgerinnen und -trägern verbessern, um die Agenda für globale Entwicklung führender internationaler Foren wie dem G20-Gipfel besser zu beeinflussen.
„Zu oft ist die religiöse Welt zwar bereit, auf Politikerinnen und Politiker zuzugehen, aber ohne die fachlich fundierte und evidenzbasierte Darstellung, die für fruchtbaren Dialog notwendig ist“, so bin Muaammar. „Umgekehrt höre ich von vielen aus der Welt des Glaubens, dass politische Entscheidungsträgerinnen und -träger 'die Sprache der Religion lernen' müssen.“
Durch sein Programm und die Teilnahme an Veranstaltungen wie dem Interreligiösen Forum hat KAICIID daran gearbeitet, religiösen Führerinnen und Führern politisches Wissen zu vermitteln und gleichzeitig den Dialog mit Politikerinnen und Politikern zu fördern, damit diese die Anliegen und Beiträge der Glaubensgemeinschaften besser verstehen.
Diese Bemühungen konzentrierten sich insbesondere auf die arabische Region, wo Konflikte und Krisen oft mit religiösen Überzeugungen verbunden sind.
KAICIID veranstaltete während des Interreligiösen Forums für die arabische Region zwei Podiumsdiskussionen und lud lokale Partner ein, sich über Erfahrungen mit Frühwarnsystemen und schneller Reaktion auszutauschen und bewährte Praktiken zur Konfliktprävention und -lösung vorzustellen.
Bei der Eröffnung der Podiumsdiskussion zum Thema „Die Rolle religiöser Führerinnen und Führer bei der Reaktion auf Krisen in der arabischen Region“ verwies bin Muaammar auf die Arbeit der von KAICIID unterstützten Interreligiösen Plattform für Dialog und Zusammenarbeit (IPDC), die religiöse Führungspersönlichkeiten darin schult, Hassrede zu bekämpfen und mit lokalen und nationalen Behörden an Richtlinien zu arbeiten, die sozialen Zusammenhalt und Gleichberechtigung fördern.
Nach Ansicht von Pshtiwan Sadeq Abdullah, Minister für religiöse Angelegenheiten in der irakischen Region Kurdistan, ist die reiche Vielfalt der Religionen und Kulturen in der arabischen Region der Grund dafür, dass religiöse Führer in ihren Gemeinschaften immer noch großes Ansehen genießen, im Gegensatz zum Westen, wo der Einfluss der Religionen geschwunden ist.
„Wir haben erkannt, dass die Rolle religiöser Führerinnen und Führer, glaubensbasierter Institutionen und Organisationen von entscheidender Bedeutung ist, wenn es darum geht, Menschen und Behörden zu Veränderungen zu bewegen, ohne dabei auf Gewalt zurückzugreifen“, so Abdullah.
Dr. Nayla Tabbara, Präsidentin der Adyan Foundation, ist jedoch der Meinung, dass religiöse Führungspersönlichkeiten eine bessere Ausbildung in politischer Bildung brauchen und lernen, wie man mit politischen Entscheidungsträgerinnen und -trägern in sozialen Fragen zusammenarbeitet. Das gleiche gilt für religiöse Bildung, nämlich, wie man andere Religionen versteht, um Spannungen zwischen den Gemeinschaften abzubauen und die Vielfalt zu fördern. „Wir müssen uns selbst fragen. Wie können wir weniger hegemonial sein und mehr im Dienst der Menschen stehen?“
Seine Heiligkeit Aram I. Keshishian, der Katholikos des Großen Hauses von Kilikien, betonte, dass der Dialog zwischen den verschiedenen Religionen zur Schaffung von Frieden im Nahen Osten beitragen kann. „Gegenwärtig ist die Welt mit starker Polarisierung konfrontiert und erlebt Spannungen und andere Krisen.“ Er ruft zu mehr gegenseitigem Verständnis, Dialog und Zusammenarbeit auf, die „auf moralischen Werten und Menschenrechten basiert“.
Die zweite von KAICIID veranstaltete Podiumsdiskussion mit dem Titel „Barrieren überwinden – Jugend in Aktion als Antwort auf Krisen in der arabischen Region“ begrüßte junge Führungskräfte, die ihre Pläne zur Krisenbewältigung und Kampagnen in den sozialen Medien als Instrumente zur Konfliktprävention und -lösung vorstellten.
Monica Tawdros, eine Jugendaktivistin aus Ägypten, stellte ihr Projekt vor, das einen Online-Kurs für religiöse Führerinnen und Führer zur Förderung von Solidarität und friedlichem Zusammenleben während der Pandemie umfasste. Im Rahmen des Projekts wurden sowohl muslimische als auch christliche Führungspersönlichkeiten eingeladen, Videos zur Bewusstseinsbildung zu drehen und Initiativen zur Bekämpfung der Stigmatisierung von Opfern des Coronavirus durchzuführen.
Marcel Moosa, Rechtsanwalt und Menschenrechtsaktivist aus Syrien, rief die Kampagne „Bleib zu Hause“ ins Leben, die die Botschaften religiöser Führer verstärkte, die zur Einhaltung der Gesundheits- und Sicherheitsvorschriften während der Pandemie aufriefen. Darüber hinaus brachte Moosa religiöse Führerinnen und Führer, politische Entscheidungsträgerinnen und -träger, religiöse und zivilgesellschaftliche Organisationen zusammen, um ihre gemeinsame Rolle beim Schutz gefährdeter und marginalisierter Gemeinschaften vor Hassrede und anderen Formen von Angriffen zu diskutieren.
Moosa ist der Ansicht, dass junge Menschen sehr viel Potenzial haben, Regierungen und NGOs bei der Entwicklungsarbeit zu unterstützen, vorausgesetzt, sie erhalten eine angemessene Ausbildung und die nötigen Ressourcen.
„Die wichtigste Ressource, die junge Menschen brauchen, ist eine Organisation, die ihre Ideen aufgreift und an ihre Fähigkeiten glaubt. Sie sollten auch von den Regierungen unterstützt und gefördert werden, um Teil einer Lösung zu werden“, führt Moosa aus.
Der junge Aktivist Muath bin Nujayfan aus Saudi-Arabien pflichtete ihm bei und berichtete während der Podiumsdiskussion von seinen Bemühungen, Hassrede zu bekämpfen, die oft eine Vorstufe zur Aufstachelung zu Gewalt und Gräueltaten ist.
„Um als Nationen voranzukommen, müssen wir gemeinsam gegen Hassrede vorgehen“, erklärt bin Nujayfan. „Es gibt niemanden, der dafür besser geeignet wäre als die heutige Generation. Sie hat die Kraft und die Energie, den Wandel, den wir wollen, und die Welt, die wir wollen, zu schaffen.“
Die Empfehlungen aus den Diskussionen des Interreligiösen G20-Forums werden auf dem G20-Gipfel der Staats- und Regierungsoberhäupter vorgestellt.