Die Ziele für nachhaltige Entwicklung (Sustainable Development Goals, SDGs), auch Agenda 2030 genannt, wurden im Jahr 2015 auf einem richtungsweisenden Gipfel der Vereinten Nationen in New York in Anwesenheit von 154 Staats- und Regierungschefs verabschiedet. Sie gehören zu den ehrgeizigsten Zielen in der 75-jährigen Geschichte der Organisation.
Die 17 SDGs ersetzen die vorherigen Ziele der UNO, die Millennium-Entwicklungsziele, die im Jahr 2000 vereinbart wurden. Die SDGs sollen das Ende der Armut in all ihren Formen, den Zugang zu Wasser und sanitären Einrichtungen für alle Menschen und dringende Maßnahmen zur Bekämpfung des Klimawandels und seiner Auswirkungen sicherstellen. Sie gelten für jedes Land und werden von 169 spezifischen Zielen untermauert. Die meisten der SDGs sollen bis zum Jahr 2030 erreicht werden.
Obwohl die Staaten und Regierungen ihre nationalen Pläne an der Agenda 2030 und den SDGs ausgerichtet haben, hat die Coronavirus-Pandemie, die bisher zu 4,2 Millionen Todesfällen, über 196 Millionen Infektionen und einem weltweiten wirtschaftlichen Stillstand geführt hat, den sozialen und wirtschaftlichen Entwicklungsplan der internationalen Gemeinschaft ernsthaft gestört und verzögert. Nach Angaben der Vereinten Nationen sank das weltweite Wachstum 2020 um etwa 4,6 Prozent. Das entspricht einem Verlust von 255 Millionen Vollzeitarbeitsplätzen.
UN-Generalsekretär António Guterres sprach bei der Eröffnung des Ministertreffens beim kürzlichen Hochrangigen Politischen Forum für nachhaltige Entwicklung, der wichtigsten Plattform der Vereinten Nationen zur Überprüfung der Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung und ihrer 17 SDGs. Er betonte das Ausmaß der Herausforderungen bei der Erreichung der Ziele:
„Fast jeder dritte Mensch auf der Welt hatte im Jahr 2020 keinen Zugang zu ausreichend Nahrung. Das ist ein Anstieg um fast 320 Millionen Menschen in einem Jahr.“ Der Generalsekretär hielt fest, dass „wir uns immer weiter von unseren Zielen entfernen“. Er erklärte, dass die Zahl der in Armut lebenden Menschen bis 2030 voraussichtlich bei etwa 7 Prozent liegen wird. Das ist nur geringfügig unter dem Niveau des Jahres 2015. Gleichzeitig habe uns der globale Temperaturanstieg „an den Rand des Abgrunds“ gebracht.
Er betonte jedoch, dass die Richtung verändert werden kann und muss. „Wir haben die Kenntnisse, die Wissenschaft, die Technologie und die Ressourcen. Was wir brauchen, sind ein einheitliches Ziel, wirksame Führung in allen Bereichen und baldige, ehrgeizige Maßnahmen.“
Die Vereinten Nationen haben zu mehr Befähigung lokaler Gemeinschaften aufgerufen, um die SDGs trotz der Pandemie zu erreichen. Die globale Organisation für Friedensschaffung und Friedensförderung Network for Religious and Traditional Peacemakers und KAICIID haben kürzlich gemeinsam eine Online-Umfrage zu den Bemühungen religiöser und traditioneller Akteurinnen und Akteure durchgeführt. Dadurch soll die Umsetzung der Agenda 2030 auf nationaler und lokaler Ebene beschleunigt werden.
Die Umfrage wurde an 130 lokale gesellschaftliche Akteurinnen und Akteure sowie Organisationen auf der ganzen Welt verteilt. 64 religiöse und traditionelle Akteure haben geantwortet, darunter Frauen und Jugendliche sowie Vertreterinnen und Vertreter der Friedensförderung in der Wissenschaft, glaubensbasierte Organisationen und andere lokale zivilgesellschaftliche Akteurinnen und Akteure.
Die Ergebnisse zeigen, dass 64 der Befragten über ein umfassendes Verständnis der Agenda 2030 und der SDGs verfügen. Sie haben auch beschrieben, wie sie die UN-Ziele umgesetzt haben. Dafür haben sie die SDGs in den Mittelpunkt ihrer Organisationen und ihrer Öffentlichkeitsarbeit gestellt. Im Folgenden wird untersucht, warum die SDGs für die Arbeit interreligiöser Gruppen von zentraler Bedeutung sind.
Myla Leguro, KAICIID Fellow des Jahres 2021 und Managerin des Friedens- und Versöhnungsprogramms von CRS-Philippines, sagt, ihre Organisation nutze die SDGs als Leitfaden für die Entscheidungsfindung.
In Bezug auf SDG Nr. 16 – gerechte, friedliche und inklusive Gesellschaften fördern – betont Leguro, wie wichtig es ist, lokale Glaubensgruppen und Partnerorganisationen zu stärken.
„Wir arbeiten mit muslimischen, indigenen und anderen Partnerorganisationen bei der Umsetzung von Initiativen zur Stärkung von Frauen, Jugendlichen sowie Glaubensvertretern zusammen. Zu den SDG-Strategien, die wir unterstützen, gehört die Stärkung von Frauen- und Jugendgruppen auf Gemeindeebene. Sie sollen darin gestärkt werden, Aktivitäten zu initiieren. Wir nutzen die SDGs auch, um Fähigkeiten zu fördern, die es ihnen ermöglichen, sich für die Entscheidungsfindung in lokalen Prozessen einzusetzen.“
Leguro hob auch die Bedeutung von SDG Nr. 5 hervor: Gleichstellung der Geschlechter und Stärkung der Rolle aller Frauen und Mädchen. „Es ist wichtig, die Menschen in mächtigen Positionen dazu zu bringen, sich für die Bemühungen von Frauen einzusetzen. Wir tun dies, indem wir die Sichtbarkeit der Beiträge von Frauen erhöhen und ihre Arbeit auf verschiedenen Ebenen dokumentieren. Das soll ihr Empowerment, ihre Teilhabe und ihre Führungsrollen stärken und damit SDG Nr. 5 erfüllen.“
Laut Florence Iminza, Programmassistentin beim 1959 gegründeten Programm für christlich-muslimische Beziehungen in Afrika (PROCMURA), spielen die SDGs auch eine wichtige Rolle bei der Förderung von Frieden und Verständnis zwischen muslimischen und christlichen Gemeinschaften in ganz Afrika. Zu den Partnern von PROCMURA gehören protestantische, orthodoxe, evangelikale und unabhängige Kirchen. Die Organisation ist laut ihrer Website in 20 Ländern Afrikas tätig.
Iminza hebt die Rolle des Entwicklungsziels Nr. 16 für die Arbeit ihrer Organisation hervor.
„Bestimmte Glaubensgemeinschaften haben oft ein falsches Bild voneinander, das meist nicht auf Fakten, sondern auf Gerüchten und Hörensagen beruht“, erklärt sie. „Ein großer Teil unserer Arbeit besteht darin, Führungspersönlichkeiten in christlichen und muslimischen Gruppen dabei zu helfen, miteinander zu interagieren, voneinander zu lernen und ihre Erfahrungen in ihren Gemeinden einzubringen.“
Das Ausmaß der Spannungen zwischen christlichen und muslimischen Volksgruppen in einigen Ländern Afrikas ist angesichts der zunehmenden Gewalt und der wirtschaftlichen Probleme auf dem Kontinent zu einer großen Herausforderung geworden.
„Wenn wir christliche und muslimische Führerinnen und Führer ansprechen, legen wir großen Wert auf SDG Nr. 16“, so Iminza weiter. „Es ist wichtig, dass beide Gemeinschaften erkennen, dass wir alle auf langfristige Ziele hinarbeiten. Während einige der Probleme, mit denen wir konfrontiert sind, vielleicht in kurzer Zeit gelöst werden können, versuchen wir, uns auf das Jahr 2030 zu konzentrieren, um SDG Nr. 16 zu erreichen. Das ist eine unserer Prioritäten.“
In Kenia helfen interreligiöse Organisationen Mitgliedern der Massai-Gemeinschaft, einer der wirtschaftlich am meisten benachteiligten Gruppen des Landes, beim Zugang zu wichtigen staatlichen Leistungen.
„Wir haben ein Projekt in einem Ort namens Kajiado gestartet, in dem die Massai leben. Wir versuchen herauszufinden, wie wir muslimische und christliche Gruppen für die Entwicklung der Gemeinschaft mobilisieren können, damit sie Zugang zu Leistungen erhalten“, berichtet Maganya Halerimana Innocent, Direktor des Instituts für interreligiösen Dialog und islamische Studien am Tangaza University College in Nairobi, Kenia.
Das im Jahr 2019 gegründete Institut ist Mitglied des Netzwerks für religiöse und traditionelle Friedensstifter, das Brücken zwischen Friedensaktivistinnen und -aktivisten an der Basis und globalen Akteurinnen und Akteuren baut, um die Arbeit für nachhaltigen Frieden zu stärken. KAICIID ist seit 2015 Mitglied in der Steuerungsgruppe des Netzwerks.
Innocent erklärt, dass das Ziel Nr. 5 der Vereinten Nationen, welches die Gleichstellung der Geschlechter und die Stärkung aller Frauen und Mädchen anstrebt, im Mittelpunkt der Arbeit des Instituts steht.
„Da wir traditionell männerdominierte Gesellschaften sind, bringen wir Frauen verschiedener Glaubensrichtungen, Musliminnen und Christinnen aller Konfessionen, zusammen. Es ist wichtig, dass Frauen eine tragende Rolle in der Gesellschaft einnehmen. Wir versuchen, ihren Part in der Friedensbildung hervorzuheben.“