Expertinnen und Experten für Migration sowie politische Entscheidungsträgerinnen und -träger, die am 24. Juni an einer Veranstaltung im Rahmen der 47. Sitzung des UN-Menschenrechtsrates teilnahmen, forderten rasche Maßnahmen für den Zugang zu hochwertiger Bildung für marginalisierte Gruppen. Im Fokus standen dabei Kinder von Vertriebenen, Migrantinnen und Migranten sowie Flüchtlingen.
Die Veranstaltung wurde von Arigatou International Geneva und vom Geneva Global Hub for Education in Emergencies, UNHCR, UNICEF, UNESCO und dem Internationalen Dialogzentrum (KAICIID) unterstützt.
Die COVID-19-Pandemie hat weltweit zu fast 4 Millionen Todesfällen geführt. In vielen Gesellschaften kam es zu einer Verschärfung von Konflikten, politischer und finanzieller Unsicherheit und Notlagen für Flüchtlinge, Migrantinnen und Migranten. Hassrede, Stigmatisierung, Fremdenfeindlichkeit und Anstiftung zu Diskriminierung während der Pandemie haben eine Kultur des Misstrauens geschaffen.
Laut der von der EU geförderten Studie "sCAN - Specialised Cyber-Activists Network" wird vieles davon von der Pandemie befeuert. „Das Coronavirus breitet sich aus und dadurch steigt auch die Zahl von Verschwörungstheorien, Gerüchten, Fake News und hasserfüllten Inhalten im Internet im Zusammenhang mit dieser Krankheit.“
Die Zahl der minderjährigen Flüchtlinge auf der ganzen Welt ist seit dem Jahr 2000 um 26 Prozent gestiegen und könnte mittlerweile eine halbe Million Klassenzimmer füllen. „Inklusion im Bildungswesen ist ein entscheidender Aspekt sowohl bei der Prävention als auch bei der Bewältigung von Krisen und Konflikten“, so Prof. Mohammed Abu-Nimer, Senior Adviser bei KAICIID, der die Veranstaltung moderierte.
Zu den Rednerinnen und Rednern des Webinars gehörten Dr. Angeliki Aroni, Leiterin der Abteilung für Integration und Unterstützung im Sondersekretariat für den Schutz von unbegleiteten Minderjährigen im Ministerium für Migration und Asyl in Griechenland; Asha Khan, UNICEF-Regionaldirektorin für Europa und Zentralasien und Sonderkoordinatorin für die Flüchtlings- und Migrantenhilfe in Europa; und Maria Lucia Uribe, Geschäftsführerin von Arigatou International Geneva.
Die Veranstaltung begann mit Beiträgen über die Bedeutung inklusiver Bildung als Recht für Kinder. Sie soll sicherzustellen, dass Migrantinnen und Migranten, Flüchtlinge und Mitglieder der Aufnahmegemeinschaften die Möglichkeit bekommen, voneinander zu lernen.
„Kinder sollen Zugang zu formaler Bildung haben, wir sollten ihnen aber auch alternative Wege zu Bildung bieten“, erläuterte Fadi Yarak, Generaldirektor für Bildung im Ministerium für Bildung und höhere Studien im Libanon. „Diese alternativen Wege können flexibel sein. Wir sollten von der formalen Bildung zu verschiedenen Wegen übergehen, bei denen jedes Kind die Möglichkeit hat, zu lernen und in seinem Leben weiterzukommen. Stabilität ist sehr wichtig, Migranten und Flüchtlinge haben eine höhere Mobilitätsrate, sie sollten kontinuierliche Bildung erhalten.“
Die Rednerinnen und Redner wiesen auf die Bedrohungen hin, denen kleine Kinder in Teilen Südasiens und Europas ausgesetzt sind. „Bildung ist der Schlüssel für die wirtschaftliche, soziale und kulturelle Integration von Flüchtlingen, Migranten und Aufnahmegemeinschaften“, erklärte Asha Khan, UNICEF-Regionaldirektorin für Europa und Zentralasien und Sonderkoordinatorin für die Flüchtlings- und Migrantenhilfe in Europa. „UNICEF ist überzeugt, dass dies die wichtigste Perspektive für ein besseres Leben ist. UNICEF stellt außerdem mit Sorge fest, dass Intoleranz, Fremdenfeindlichkeit, Diskriminierung und Rassismus in Europa und Zentralasien zunehmen. Sie bedrohen den sozialen Zusammenhalt und behindern das Leben von Mädchen und Jungen, die lernen und sich entfalten wollen.“
KAICIID nimmt eine Schlüsselrolle ein, wenn es um die Verbesserung von Angeboten für Menschen geht, die in Europa Zuflucht suchen. Das Programm des Dialogzentrums für die soziale Eingliederung von Menschen, die in Europa Zuflucht suchen, zielt darauf ab, die gesellschaftliche Inklusion zu verbessern und die Teilhabe an der europäischen Gemeinschaft durch interreligiösen und interkulturellen Dialog zu fördern.
Das Programm startete im Jahr 2017 und fungiert über das Netzwerk für Dialog als Vermittler zwischen religiösen Akteurinnen und Akteuren sowie politischen Entscheidungsträgerinnen und -trägern. Das Programm bietet auch Organisationen, die im Bereich der sozialen Inklusion von Flüchtlingen, Migrantinnen und Migranten arbeiten, den Aufbau von Kapazitäten an. Die wichtigste jährliche Veranstaltung des Netzwerks für Dialog, das Europäische Forum für politischen Dialog über Flüchtlinge, Migrantinnen und Migranten, bringt führende Politikerinnen und Politiker, religiöse Akteurinnen und Akteure sowie Expertinnen und Experten zusammen, um über soziale Inklusion in Europa zu diskutieren und konkrete und praktische politische Empfehlungen zu erarbeiten.
Griechenland hat sich im letzten Jahrzehnt zu einem der wichtigsten Ankunftsorte von Flüchtlingen in Europa entwickelt. In den Jahren 2015 und 2016 kamen mehr als eine Million Flüchtlinge in dem Land an. Dr. Angeliki Aroni, Leiterin des Referats für Integration und Unterstützung im Sondersekretariat für den Schutz unbegleiteter Minderjähriger im Ministerium für Migration und Asyl in Griechenland, sprach über einige der Herausforderungen im Bildungswesen, mit denen junge Migrantenkinder bei ihrer Ankunft in Griechenland konfrontiert sind.
„Viele Kinder sind Analphabeten, sie haben sehr wenig Schulbildung und schon lange keinen Unterricht mehr besucht“, so Dr. Aroni. „Wir haben einen ständigen Zustrom an Kindern, das schafft Probleme für die Schulen und das Bildungssystem. Wenn überhaupt, gibt es nur sehr begrenzte Aufzeichnungen über die bisherigen schulischen Leistungen, um diese Kinder entsprechend einzustufen.“
Maria Lucia Uribe, Geschäftsführerin von Arigatou International Geneva, sprach über Artikel 29 des Hohen Flüchtlingskommissars der Vereinten Nationen (UNHCR). Der Text enthält die Bestimmung, dass die Persönlichkeit, die Talente und die geistigen und körperlichen Fähigkeiten eines Kindes in vollem Umfang entwickelt werden sollen. Gleichzeitig sollen die Menschenrechte und Grundfreiheiten geachtet werden.
„Dies ist sehr wichtig für uns und sollte das Rahmenwerk für inklusive Politik und Programmgestaltung sein. Wir wissen, dass verschiedene Ursachen für Vertreibung, zum Beispiel Klimawandel, Instabilität und Finanzkrisen, immer besonders negative Auswirkungen auf die am meisten gefährdeten Menschen haben. Migranten- und Flüchtlingskinder wurden meist entwurzelt von dem, was ihnen ein Gefühl von Normalität gibt. In den Aufnahmeländern leiden sie unter Gewalt, Angst und Stress.“
Die letzte Rednerin der Veranstaltung, Dr. Rebecca Telford, Leiterin der Bildungsabteilung des UNHCR, sprach darüber, wie wichtig es ist, Maßnahmen zu ergreifen, um Flüchtlingskinder zu unterstützen. „Was mich wirklich inspiriert, sind die kollektiven Anstrengungen, die wir für Flüchtlings- und Migrantenkinder unternehmen. Das war in der Vergangenheit nicht immer so. Der globale Flüchtlingspakt hat das Versprechen festgeschrieben, vertriebene Bevölkerungsgruppen und Regierungen umfassend zu unterstützen, um sicherzustellen, dass der Zugang zu hochwertiger Bildung wirklich allen ermöglicht wird.“