Ende letzten Jahres starteten Rebellen eine Offensive in der Zentralafrikanischen Republik, die Regierungstruppen schlugen zurück und konnten im ganzen Land an Einfluss gewinnen. Dieser Gegenangriff überschattet die eindringlichen Forderungen nach Dialog, um die Auswirkungen auf die Zivilbevölkerung zu minimieren und die zugrunde liegenden Missstände zu beseitigen. Trotz der Erfolge der Regierung im Kampfgebiet betonen führende religiöse Persönlichkeiten, dass der Weg zu dauerhaftem Frieden nicht über eine militärische Lösung führen kann. Stattdessen fordern sie alle Parteien auf, sich an einen Tisch zu setzen und eine wirklich nachhaltige und inklusive Lösung zu finden.
„Ein militärischer Sieg allein ist nicht genug“, meint Kardinal Dieudonné Nzapalainga, der Erzbischof von Bangui. „Die Flamme der Missgunst würde weiter bestehen und noch mehr Gewalt verursachen. Es ist wichtig, die Brände jetzt zu löschen, indem wir die Hand ausstrecken.“
Die anhaltenden Unruhen kommen zwei Jahre nach der Unterzeichnung des Khartoum-Abkommens. Das wichtige Friedensabkommen zwischen der Regierung und 14 Rebellengruppen zerbrach während des jüngsten Ausbruchs von Gewalt. Die Unruhen schlagen ein neues und ungewisses Kapitel des Landes auf, doch die Gedanken konzentrieren sich auf die Zukunft des Friedensprozesses in der Zentralafrikanischen Republik. Kann er wiederbelebt werden? Wenn ja, welche Rolle können religiöse Führerinnen und Führer, die tief mit den Gemeinden verbunden sind, als unabhängige und versöhnliche Schlichter spielen?
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„Gewalt führt kurz-, mittel- und langfristig zu Gewalt“, sagt Imam Abdoulaye Ouasselogue. „Es muss aufrichtigen und inklusiven Dialog geben, der nicht unter politischem Kalkül leiden darf.“
Kurz vor den Präsidentschaftswahlen im vergangenen Dezember begann ein neuer Zusammenschluss bewaffneter Gruppen mit landesweiten Angriffen, durch die mehr als 200.000 Menschen vertrieben wurden und sich die humanitäre Notlage in der Zentralafrikanischen Republik weiter verschlechterte. Seitdem mussten die Rebellen eine Niederlage nach der anderen hinnehmen, während die Regierungstruppen vorrückten.
Eine solche Entwicklung mag positiv klingen. Doch in der Realität gerät die zivile Bevölkerung ins Kreuzfeuer, da tödliche Gewalt die Spannungen nicht entschärfen kann. UN-Beobachter und andere Rechtsvertreter haben Gräueltaten und Menschenrechtsverletzungen dokumentiert.
Nachdem die Truppen im Norden die Rebellenhochburg Kaga-Bandoro eingenommen hatten, zwangen Zusammenstöße vor kurzem mehr als 2.000 Menschen in den Tschad zu flüchten. Sie mussten einen schultertiefen Fluss, der die beiden Länder trennt, durchqueren und ihre wenigen Habseligkeiten auf dem Kopf tragen. Einige sehen sich nun gezwungen, zurück in die Zentralafrikanische Republik zu gehen, um Nahrung zu finden oder das Wenige zu retten, was von ihrem Besitz übrig ist.
Frühere Gewalttaten während der jahrelangen unsicheren Lage hatten mehr als eine Million Menschen aus ihren Häusern vertrieben. Heute ist fast ein Drittel der Gesamtbevölkerung der Zentralafrikanischen Republik auf der Flucht. Gleichzeitig wird der Hunger bei Kindern immer größer, mindestens 24.000 Kinder unter fünf Jahren sind von schwerer akuter Unterernährung bedroht.
Die derzeitige Strategie der Gewaltanwendung hat tödliche Folgen. „Die militärische Lösung ist nicht die Antwort“, sagt Feralin Mindende-Mobaka, KAICIIDs Projektbeauftragter in der Zentralafrikanischen Republik. „Dialog ist die beste Lösung. Zivilistinnen und Zivilisten sterben, dadurch wird die Situation angeheizt und führt zu noch mehr Gewalt.“
Durch Dialog von Angesicht zu Angesicht ist es möglich, die Bedürfnisse der gegnerischen Seite kennenzulernen und eine gemeinsame Basis zu finden. „Solange man nicht mit den Konfliktparteien an einem Tisch sitzt, kann man sich nicht vorstellen, was sie wollen“, erklärt Pfarrer Nicolas Guerekoyame-Gbangou, der neben dem Kardinal und dem Imam zu den wichtigsten religiösen Führern des Landes gehört. „Dialog wird immer eine wirksame Waffe für jede Art der Konfliktlösung sein.“
Es steht außer Frage, dass Stabilität eine entscheidende Komponente des Friedens ist. Starke und rechenschaftspflichtige Sicherheitskräfte müssen dabei eine Rolle spielen, sagen Fachleute. Die Grenzen der Zentralafrikanischen Republik sind extrem durchlässig. Waffen und Kämpfer kommen ungehindert aus den umliegenden Krisengebieten – das führt zu Unruhen.
„Ein Land, das sich in einer Krise befindet, braucht Sicherheit, und die wird durch das Militär gewährleistet“, sagt Agustin Nuñez-Vicandi, KAICIIDs Landesprogrammleiter in der Zentralafrikanischen Republik. „Doch es braucht auch Versöhnung und andere Faktoren wie Übergangsjustiz, Maßnahmen zur Wiedereingliederung von bewaffneten Gruppen in die Gesellschaft und vieles mehr.“
Religiöse Führerinnen und Führer können in diesem Prozess der Versöhnung und bei der Schaffung eines dauerhaften Friedens eine wichtige Rolle spielen. Unabhängig von Parteipolitik sind sie neutrale Vermittlerinnen und Vermittler, deren spirituelles Ansehen sie von der programmatischen Realpolitik abhebt. Diese kühne Unabhängigkeit ermöglicht es ihnen, mit vielen Persönlichkeiten zu sprechen – von Politikerinnen und Politikern bis hin zu Rebellen, aber auch mit ihrer Glaubensgemeinde, die die Auswirkungen des Konflikts ertragen muss.
In der Zentralafrikanischen Republik bekennen sich mehr als 95 Prozent der Bevölkerung zu einem Glauben. Religion ist eine starke Kraft. Das bedeutet, protestantische, katholische oder muslimische Führungspersönlichkeiten können sowohl spirituellen Trost von der Kanzel als auch pragmatische humanitäre Hilfe durch ihre Institutionen leisten. Als Vertrauenspersonen, die in die Gemeinschaft und das etablierte System integriert sind, besitzen sie große Autorität.
„Sie sensibilisieren die Bevölkerung für Toleranz, Vergebung und Versöhnung“, berichtet Boris Yakoubou, KAICIIDs Länderexperte in der Zentralafrikanischen Republik. „Neben ihrer Rolle als Vermittler sind sie auch geistliche Väter.“
Ihre einzigartige Position muss genutzt werden, um dauerhaften Frieden aufzubauen, auf Gruppen an der Basis einzuwirken, den Marginalisierten eine Stimme zu geben, für Menschenrechte einzutreten, Druck auf Politikerinnen und Politiker auszuüben und schließlich die Kriegsparteien an einen Tisch zu bringen.
Es gibt Anzeichen dafür, dass die Unterstützung für einen erneuerten Friedensprozess an Dynamik gewinnt. Im April fand in Angola ein Mini-Gipfel zur Sicherheitslage in der Zentralafrikanischen Republik statt, an dem mehrere Staatschefs aus der Region teilnahmen. Im Mittelpunkt ihrer Gespräche stand das Khartum-Friedensabkommen aus dem Jahr 2019, das in der sudanesischen Hauptstadt geschlossen wurde. Der angolanische Präsident João Lourenço rief alle Beteiligten dazu auf, mit Unterstützung der internationalen Gemeinschaft zusammenzuarbeiten, „um einen Dialog zu garantieren und das Khartum-Abkommen voranzutreiben“.
Die Betonung der Wiederbelebung des Friedensprozesses deutet darauf hin, dass er trotz grober Probleme noch gerettet werden kann. Im Laufe der Jahre wurden zahlreiche Waffenstillstände unterzeichnet, und doch hat die Gewalt langfristig nicht nachgelassen. Die religiösen Führer der Zentralafrikanischen Republik glauben, dass es noch Hoffnung gibt. Ein weiteres Abkommen oder einige Überarbeitungen des aktuellen wären eine Möglichkeit.
„Für mich ist das Friedensabkommen weiterhin relevant“, so Kardinal Dieudonné. „Wir müssen eine Gesamtbewertung vornehmen und dann werden wir sehen, ob es notwendig ist, ein weiteres Dokument aufzusetzen. Nur Dialog kann es den Menschen ermöglichen, sich von dem Gift im Inneren zu befreien.“
Die Rebellen werden weithin nur als rücksichtslose Räuber angesehen. Doch sie entstammen ursprünglich den legitimen Sorgen der marginalisierten Mitglieder der zentralafrikanischen Gesellschaft und so haben auch die Rebellen ihre Forderungen. Gespräche mit allen relevanten Parteien, einschließlich der bewaffneten Gruppen, das Eingehen auf ihre Forderungen und die Möglichkeit, ihre Bedenken zu äußern, werden ein zentraler Bestandteil eines jeden Friedensprozesses sein.
Erschwerend kommt hinzu, dass dieser spontane Zusammenschluss aus einem Sammelsurium bewaffneter einheimischer und ausländischer Gruppen besteht, die keine einheitliche Befehlsstruktur haben und unterschiedliche Anliegen und Motivationen mitbringen. Einige Gruppierungen verurteilen die Sanktionen gegen ihre Anführer und werfen der Regierung vor, keinen guten Willen zu zeigen. Andere fürchten eine Verhaftung während der zögerlichen Verhandlungen oder ärgern sich über den Mangel an lukrativen Angeboten bei den Waffenstillstandsgesprächne. All dies wirkt sich auf das misstrauische Verhältnis zwischen Rebellenführern und hohen Regierungsbeamten aus.
Angesichts der gravierenden Veränderungen, die seit dem letzten Abkommen eingetreten sind, glaubt Imam Ouasselogue, dass eine angepasste Strategie braucht – eine Art "Khartum 2.0".
„Die bewaffneten Gruppen sind für neuen Dialog, aber die Regierung und andere Parteien wollen das Khartum-Abkommen beibehalten“, erklärt er. „Die Realität vor Ort, mit der neuen Facette der Krise, erfordert einen neuen Lösungsansatz.“