Um die Klimakrise zu bewältigen, bedarf es Zusammenarbeit von indigenen Gemeinschaften bis hin zu religiösen Organisationen

04 Juni 2021

Für die Umwelt sind alle Menschen gleich. Unabhängig von Ethnie, Religion, Geschlecht oder Geografie sind wir alle mit einer Klimakrise konfrontiert – einer vom Menschen verursachten Katastrophe, die nur durch gemeinsames Handeln bewältigt werden kann.

Glaubensbasierte Organisationen und indigene Gemeinschaften sind dabei wichtige Akteure. Mit ihren moralischen Werten und ihrer spirituellen Resonanz können sie zu nachhaltigen Maßnahmen und größerer Solidarität aufrufen und politischen Entscheidungsträgerinnen und -trägern Wege aufzeigen, die den Planeten besser schützen.

Dies war die zentrale Botschaft eines weitreichenden Webinars: „Den Planeten retten: Glaube als Antrieb für dringendes Handeln“. Es wurde am 3. Juni gemeinsam von KAICIID und der Initiative „Glaube für die Erde“ des UN-Umweltprogramms (UNEP) veranstaltet.

Die Liste der Referenten bestand ausschließlich aus Frauen. Darauf standen führende Akteurinnen und Expertinnen aus den Bereichen Naturschutz, nachhaltige Entwicklung, indigener Aktivismus, Religion und Wissenschaft. Unter ihnen war Joyce Msuya, stellvertretende Generalsekretärin der Vereinten Nationen und stellvertretende Geschäftsführerin des UN-Umweltprogramms, die über den Gedanken der Klimagerechtigkeit sprach, der für viele, wenn nicht sogar alle Weltreligionen von zentraler Bedeutung ist.

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„Zum Beispiel im Koran beschwört das Konzept des Tawhid oder des Einsseins die Idee der Einheit der Schöpfung über Generationen und Menschen hinweg. Die Enzyklika Laudato si' der katholischen Kirche spricht ebenfalls über den Planeten als unser gemeinsames Zuhause und dass wir moralisch verpflichtet sind es zu schützen“, erklärte Msuya.

Obwohl diese Ziele in einigen Kreisen angenommen wurden, bleibt der Fortschritt im allgemeinen Kampf um das Klima erschreckend langsam. Aus diesem Grund gehen religiöse Gemeinschaften mit gutem Beispiel voran und stellen sicher, dass sie sich nicht nur für Umweltgerechtigkeit einsetzen, sondern diese auch aktiv leben.

Die Äthiopisch-Orthodoxe Tewahedo-Kirche kümmert sich zum Beispiel um 35.000 Wälder. Das sind Überbleibsel des üppigen Waldes, der das ostafrikanische Land einst bedeckte. Die Bäume gelten als Symbole des Himmels auf Erden und sind ein wesentliches Element der äthiopischen Umweltstrategie. Sie binden Kohlenstoff in der Atmosphäre, helfen, Wasser zu sparen, verringern die Bodenerosion und versorgen die lokalen Gemeinschaften mit natürlichen Medikamenten und Baumaterialien.

Diese Art von positiven Maßnahmen, die größtenteils an der Basis durchgeführt werden, können laut Msuya einen Richtungswechsel auf den höchsten Ebenen der politischen Entscheidungsfindung bewirken.

„Die meisten politischen Entscheidungsträgerinnen und -träger respektieren Glaubensführerinnen und -führer und arbeiten mit religiösen Organisationen zusammen. Wenn es darum geht, auf höchster Ebene Einfluss zu nehmen, haben Glaubensgemeinschaften die Möglichkeit, durch ihr Engagement bei politischen Parteien etwas zu bewirken“, führte sie aus. 

Glaube für die Erde 

Religiöse Führerinnen und Führer genießen großen Respekt in ihrer Anhängerschaft. Das verleiht ihnen die einzigartige Möglichkeit, die Botschaft des Umweltschutzes zu verbreiten. Seit mehr als dreißig Jahren ist dies die Aufgabe von Rabbi Ellen Bernstein.

„Wir haben verschiedenste Lehrpläne für religiöse Schulen sowie Materialien für religiöse Führerinnen und Führer entwickelt“, erzählte Rabbi Bernstein im Webinar und verwies auf ihre Arbeit als Gründerin von Shomrei Adamah Keepers of the Earth, der ersten nationalen jüdischen Umweltorganisation. „Diese Lektionen helfen, Klima und Ökologie mit den Lehren der Bibel und anderen religiösen Texten zu verbinden.“

Organisation ist die größte Herausforderung für Shomrei Adamah. Synagogen und Kirchen sollen überzeugt werden, Umweltschutz in ihre breit gefächerte Arbeit in der Gemeinde zu integrieren. Viele haben zum Beispiel Gremien für soziale Gerechtigkeit, aber keine Äquivalente für Umweltgerechtigkeit. Spendenaufrufe gehen oft an grünen Anliegen vorbei.

„Wir haben eine Philosophie und Theologie, die Umwelt- und Klimagerechtigkeit einschließt. Wir müssen jedoch versuchen, diese sich nur sehr langsam bewegenden Institutionen zu verändern und sie in Richtung Klimagerechtigkeit neu auszurichten“, so Rabbi Bernstein.

Das hartnäckige Patriarchat des globalen Kapitalismus sei ein weiteres kritisches Thema, erklärte Dr. Vandana Shiva, eine Wissenschaftlerin, Umweltaktivistin, Verfechterin der Ernährungssouveränität und Ökofeministin.

In ihrer Heimat Indien hat sie erlebt, wie Frauen in ländlichen Regionen gegen die Abholzung von Wäldern und die Verschmutzung von Flüssen kämpfen und sich unermüdlich für ein nachhaltigeres Agrarsystem einsetzen. Die Werte, die diese Art von grünem Aktivismus tragen, stehen im Widerspruch zur konzerngesteuerten Globalisierung, meint Dr. Shiva.

„Die Denkweise, die die Erde als heilig, als Mutter, als lebendig betrachtet, sieht auch Frauen als Schöpferinnen und Produzentinnen. Das kapitalistische Patriarchat hingegen ist auf Gier und Macht ausgerichtet, was ich die 'Scheuklappen der Menschheit' nenne.“

Indigene Völker und die Umwelt

Bei der Bewältigung der ökologischen Folgen des modernen Konsumverhaltens täte die Welt gut daran, auf die Kraft des Wissens der Ureinwohnerinnen und Ureinwohner zurückzugreifen. Obwohl sie nur ein Viertel der Erdoberfläche bewirtschaften, schützen indigene Völker 80 Prozent der weltweiten Artenvielfalt.    

„Indigene Völker verstehen die Bedeutung von Nachhaltigkeit und der Erhaltung des Bodens, auf dem sie leben. Bauern ernten nicht alles, denn sie wissen, was sie sammeln und was sie liegen lassen müssen, um das Keimen der nächsten Saat zu unterstützen“, erklärte Lucy Mulenkei, Geschäftsführerin des Indigenous Information Network (IIN), einer von Frauen geführten Organisation, die indigene Gemeinschaften in Kenia unterstützt. „Diese Weisheit muss gehört und beachtet werden.“

Doch tragischerweise sind die indigenen Gemeinschaften – genau wie die Umwelt – bedroht. Nirgendwo wird dies deutlicher als im Amazonas-Regenwald, wo Abholzung das größte Ausmaß seit über einem Jahrzehnt angenommen hat.

Für das indigene Volk der Karipuna in Brasilien ist die Situation düster, da es von vielen Seiten bedrängt wird. Durch Angriffe von Holzfällerfirmen, Viehzüchtern und Landräubern haben sie in den letzten Jahren tausende Hektar ihres Territoriums verloren.

Aber die Karipuna wehren sich. Mit Unterstützung von zivilgesellschaftlichen Gruppen, religiösen Organisationen und internationalen Akteuren ist es ihnen gelungen, die Abholzung auf ihrem Land um fast 50 Prozent zu reduzieren. Diese Art der Zusammenarbeit ist sehr effektiv und ihre Anerkennung entscheidend, erfuhren die Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Webinars.

„Partnerschaften sind so wichtig“, sagte Dr. Musonda Mumba, Vorsitzender von Global Partnership on Forest and Landscape Restoration (GPFLR). „Religiöse Führerinnen und Führer, indigene Gemeinschaften, nicht-staatliche Akteure, multilaterale Organisationen, die alle im Umweltschutz zusammenarbeiten – es ist so wichtig zu verstehen, dass diese Partnerschaften wirklich von größter Bedeutung sind.“