Fremdenfeindlichkeit, Rassismus und andere Formen der Intoleranz – einschließlich Antisemitismus, Frauenfeindlichkeit und Islamophobie – sind weltweit im öffentlichen Diskurs, in den Medien und in der politischen Rhetorik weit verbreitet.
Die erschreckende Zunahme von Hassrede ruft dunkle Erinnerungen wach. Im vergangenen Jahrhundert war sie ein Vorläufer von Gräueltaten, wie dem Völkermord in Deutschland, Ruanda, Kambodscha und Bosnien.
Deshalb haben die Vereinten Nationen (UN) im Jahr 2019 eine Strategie und einen Aktionsplan gegen Hassrede entwickelt, um deren Ursachen und Triebkräfte zu analysieren und wirksame Reaktionen darauf zu ermöglichen.
Das Internationale Dialogzentrum (KAICIID) ist überzeugt davon, dass Hassrede eine koordinierte Antwort von religiösen Führerinnen und Führern, politischen Entscheidungsträgerinnen und -trägern, Medien und der allgemeinen Öffentlichkeit erfordert. Um Hassrede zu bekämpfen, hat KAICIID mit Partnern wie den Vereinten Nationen bei Veranstaltungen und Programmen zusammengearbeitet.
Bei einem Workshop für KAICIID Fellows im März 2021 gab Simona Cruciani, Referentin für politische Angelegenheiten im UN-Büro für die Verhinderung von Völkermord und Schutzverantwortung, eine Einführung in den Umgang mit Hassrede, einschließlich der Möglichkeiten, sie in verschiedenen Kontexten auf der ganzen Welt zu identifizieren, zu überprüfen und zu bekämpfen. Die folgenden Ausführungen sind ihrer Präsentation, der Strategie und dem Aktionsplan der UNO zu Hassrede entnommen.
Es gibt keine allgemeingültige, rechtliche Definition von Hassrede. Von den Vereinten Nationen wird sie allgemein als jede Art von Kommunikation in Wort, Schrift oder Verhalten definiert, die eine Person oder eine Gruppe aufgrund ihrer Religion, ethnischen Zugehörigkeit, Nationalität, Rasse, Hautfarbe, Abstammung, ihres Geschlechts oder anderer Formen der Identität angreift oder abwertende oder diskriminierende Sprache verwendet. Laut Cruciani ist dies oft gesellschaftlich verwurzelt und erzeugt in bestimmten Kontexten Intoleranz und Hass. Die Folgen können sowohl erniedrigend als auch spaltend sein.
Beim Thematisieren, Überprüfen und Reagieren auf Hassrede ist es wichtig, zwischen Anstiftung zur Gewalt und Meinungsfreiheit zu unterscheiden. Zwar hat jeder Mensch das Recht auf freie Meinungsäußerung, doch Artikel 20 (Abs. 2) des Internationalen Pakts über bürgerliche und politische Rechte schränkt die Meinungsäußerung ein und verlangt von den Staaten, bestimmte Formen der Meinungsäußerung zu „verbieten, die nationalen, rassischen oder religiösen Hass“ befürworten und eine „Anstiftung zu Diskriminierung, Feindseligkeit oder Gewalt“ darstellen. Nach dem UN-Rahmenwerk für Hassrede ist jede Anstiftung zu Diskriminierung, Feindseligkeit oder Gewalt Hassrede. Allerdings stellt nicht jeder Akt von Hassrede eine Anstiftung dar.
Für Anstiftung zu Gewalt müssen laut UNO die folgenden Elemente erfassbar sein: ein Kontext, der Gewalt begünstigt; ein einflussreicher Autor oder Sprecher; ein weitverbreiteter Sprechakt; ein aufnahmefähiges Publikum und ein Ziel (typischerweise Randgruppen). Eine Handlung stellt Anstiftung zur Gewalt dar, wenn seitens des Sprechers die Absicht besteht, Gewalt zu befürworten oder zu verursachen. Es muss auch die Wahrscheinlichkeit gegeben sein, dass die Handlung zu Gewalt führen kann. Gegen solche Hassrede kann auf dem Rechtsweg vorgegangen werden.
Bei anderen Formen von Hassrede, die die Definition von „Anstiftung zur Gewalt“ nicht erfüllen, können laut UNO Monitoring und Gegenmaßnahmen vor Ort effektiv sein. Solche Akte von Hassrede können als Frühwarnung für und Vorläufer von Gewalt dienen. Indem Akten von Hassrede begegnet wird, kann Gewalt womöglich verhindert oder eingeschränkt und Gefahren abgewandt werden.
In einem Interview mit KAICIID sagte Cruciani kürzlich:
„Politik und Praktiken zur Bekämpfung von Hassrede müssen im Einklang mit den Menschenrechten stehen. Aber wir sehen, dass in Fällen, in denen Staaten Gesetze gegen Hassrede umsetzen, die nicht unter den Straftatbestand der Anstiftung fallen, dieselben Gesetze dazu benutzt werden können, die Meinungs- und Redefreiheit einzuschränken. Deshalb sollte Hassrede mit mehr Worten bekämpft werden, indem man Gegennarrative verbreitet und internationale Menschenrechtsstandards aufrechterhält.“
Die Verpflichtungen der UN-Strategie und des Aktionsplans gegen Hassrede beruhen daher auf vier Grundprinzipien:
Cruciani weiß, dass das Monitoring von Hassrede entmutigend sein kann, vor allem, wenn sie im Internet stattfindet. Deshalb ist es wichtig, einen klar definierten Zweck und eine Methodik zu haben, die auf den Kontext der Beobachtung zugeschnitten ist. Zur Überprüfung können Trendanalysen, die Vorbereitung von Gegenprogrammen oder die Entfernung von Inhalten gehören.
Kontexte und Inhalte können vieles umfassen: Politikerinnen und Politiker und Kundgebungen, Interviews und Aussagen in den sozialen Medien, religiöse Führerinnen und Führer sowie Akteurinnen und Akteure bei Veranstaltungen und Versammlungen, Analysen von Fachleuten, Influencer in den Medien, Privatpersonen, Zeitungen und Printmedien, Fernsehen, Radio, Online-Plattformen und Blogs, Graffiti und materielle Kultur, Kunst und Musik sowie andere Formen der Kommunikation oder Interaktion in der Gemeinschaft.
Abhängig von Ihrem Ziel und Ihrem Kontext ist eine gut entwickelte Methodik für maximale Wirkung unerlässlich. Wenn es zum Beispiel darum geht, Hassrede im Internet einzuschränken oder zu beseitigen, bietet der Aktionsplan von Rabat mit seinem 6-teiligen Test wichtige Richtlinien.
Unabhängig vom Kontext oder Zweck rät die UNO, dass Monitoring die folgenden Punkte umfassen sollte:
Laut Cruciani können die gewonnenen Daten aus dem Monitoring dazu verwendet werden, um Prioritäten, Interessenvertretung und Programme zu entwickeln. Sie stellt jedoch klar, dass es vor dem Entwurf oder der Umsetzung von Programmen wichtig ist, zunächst das Warum hinter Hassrede zu verstehen. Warum sie verbreitet wird, warum sie gefördert wird und warum sie auf Resonanz stößt und sich wiederholt.
In Übereinstimmung mit dem Prinzip der UNO, mehr und nicht weniger „Rede“ zu unterstützen, sollte die Reaktion auf Hassrede eine Mischung aus Gegennarrativen, positiver Sprache, der Förderung des zivilen Raums und des Dialogs sowie der Auseinandersetzung mit den Ursachen und Triebkräften von Hassrede beinhalten.
Zur Umsetzung von Programmen schlägt Cruciani vor, mit wichtigen Partnern wie Technologie- und Social-Media-Unternehmen, Vertreterinnen und Vertretern der Zivilgesellschaft, religiösen Führerinnen und Führern sowie Akteurinnen und Akteuren, multilateralen Organisationen und Institutionen zusammenzuarbeiten. Gemeinsam können diese Partner Standards für die Menschenrechte wahren, sich gegen Hassrede aussprechen, proaktiv gegen Hassrede durch Entfernung und andere Formen der Einschränkung vorgehen, Inklusion und Toleranz durch Dialog unterstützen, Inklusion und Vielfalt fördern und Bewusstsein schaffen.