Dr. Ashin Vicittasara, oder Vicitta, wie er gerne genannt wird, hat sein Leben dem Dienst im Kloster gewidmet. Vicitta wuchs als Bücherliebhaber in Myanmar auf. Sein Wunsch, Kulturen aus vielen Teilen der Welt kennenzulernen, führte zu einem unersättlichen Wissensdurst und Lesedrang, die jedoch nicht immer gefördert wurden.
„Als Kind war es mir nicht erlaubt, Bücher zu lesen, die keine buddhistischen religiösen Texte waren. Also musste ich im Geheimen lesen. Ich las Geschichten und Übersetzungen. Ich wollte immer noch mehr lesen, vor allem Bücher in ihrer Originalsprache, die meistens Englisch war. Deshalb versuchte ich, die Sprache zu lernen“, so Vicitta.
Aus dem neugierigen Jungen mit der großen Lust, mehr über andere Kulturen und Lebensweisen zu erfahren, wurde ein junger Mann. Er gibt freimütig zu, dass er „viele Male versuchte, aus dem Kloster zu fliehen“, als seine Leidenschaft und Kreativität mit dem strengen Kodex des Klosterlebens in Konflikt gerieten. Er arrangierte sich schließlich mit den Anforderungen seines Lebens im Kloster. Doch das hielt ihn nicht davon ab, das klösterliche Erziehungssystem in Myanmar ändern zu wollen, um Offenheit und Vielfalt mehr Platz zu geben.
Nachdem er 10 Bücher und mehrere Publikationen verfasst hatte, gründete er im Jahr 2013 das Dhamma Ganga Buddhist Pali College in Rangoon, benannt nach seinem Pseudonym. Der erste Standort des Colleges war einfach und lag auf einem kleinen Stück Land.
Schon im darauffolgenden Jahr bemühte sich Vicitta um eine Erweiterung der noch jungen Schule. Er bot mehr Lernmöglichkeiten für junge Mönche und Nonnen an, die bis dahin nur die Möglichkeit hatten, buddhistische Texte zu studieren. Am Dhamma Ganga können die Studierenden nicht nur Pali lernen, die Sprache der buddhistischen Schriften, die auf dem indischen Subkontinent beheimatet ist, sondern auch ihr Wissen über andere Religionen und Kulturen erweitern.
„Der Lehrplan ist auch darauf ausgerichtet, neue Ideen zu präsentieren, globale Ideologien hervorzuheben und Veränderungen auf philosophischer, historischer und diplomatischer Ebene zu erleichtern. Hier hat sich der Fokus auf interreligiösen Dialog als besonders wirkungsvoll erwiesen“, so Vicitta. Das College ist offen für Lehrkräfte aller Religionen, die an Workshops teilnehmen, die von Vicitta und anderen Alumni des Fellows-Programms mitgestaltet wurden. Vicitta führt seine Motivation, den Lehrplan der Schule um Module für interreligiösen Dialog zu erweitern, auf die Zeit als KAICIID Fellow zurück.
„Als ich Fellow wurde, begann ich mich noch mehr für interreligiösen Dialog zu interessieren. Also habe ich den Studierenden an meinem College die Weltreligionen und Dialog als neue Unterrichtsfächer vorgestellt.“
Myanmar hat die religiösen Konflikte zwischen buddhistischen und muslimischen Gemeinschaften noch immer nicht ganz überwunden. Vicitta hat viel Zeit damit verbracht, sein Wissen und seine Leidenschaft für das geschriebene Wort zu vertiefen, um zu versuchen, einen pluralistischen Frieden auszuhandeln. Danach schloss er sich einem Autorenkollektiv an, um mehrere Bücher zu veröffentlichen, die die wahren Wurzeln der politischen Gewalt beleuchteten und einen Weg zum Frieden zeichneten.
„Religion sollte nicht Teil eines Konflikts sein. Wir sollten uns treffen und miteinander reden, und wir sollten uns gegenseitig dazu erziehen, zu einem umfassenden Verständnis der Situation zu gelangen“, erklärte er.
Dieses Prinzip wendet er auch auf die Programme an der Schule an. Die Inhalte sind speziell darauf ausgerichtet, den Menschen zu helfen, die wahre religiöse und politische Situation Myanmars zu verstehen, sodass sie friedlich zusammenleben können.
Schritt für Schritt trägt Vicitta dazu bei, eine Vision von einem friedlichen Myanmar zu entwickeln. Im Jahr 2019 empfing er zusammen mit anderen ehemaligen Fellows buddhistische Lehrerinnen und Lehrer zu einem dreitägigen Training für interreligiösen Dialog. Am dritten Tag nahmen religiöse Führerinnen und Führer aus Christentum, Hinduismus und Islam an Diskussionen über die Aussichten für friedlichen Pluralismus in dem südostasiatischen Land teil.
Die buddhistischen Lehrkräfte waren begeistert von dieser seltenen Gelegenheit, an einem sicheren Ort mit Menschen anderer Religionen in Kontakt zu treten.
„Einige von ihnen wussten praktisch nichts über andere Glaubensrichtungen“, erzählte Vicitta. „Sie wurden streng buddhistisch erzogen und hatten nie andere religiöse Orte besucht. Als sie schließlich ‚die Anderen‘ trafen, hatten sie so viel zu sagen und stellten sehr viele Fragen. Sie mochten einander total gern.“
Was die Zukunft betrifft, so verfolgt Vicitta die Vision einer liebenden Menschheit, die sich durch friedliches religiöses Zusammenleben auszeichnet. Zurzeit baut er ein neues globales Bildungszentrum auf, um Buddhistinnen und Buddhisten in Myanmar über andere Religionen zu unterrichten.
„Indem wir das Land entwickeln und die Menschen sensibilisieren, können wir Frieden in der Gesellschaft schaffen und unser globales Dorf gemeinsam aufbauen. Das ist meine Botschaft.“