Soziale Inklusion steht ganz oben auf der Tagesordnung des 2. Europäischen Forums für politischen Dialog
Dutzende religiöse Führerinnen und Führer, Politikerinnen und Politiker, Basisaktivistinnen und -aktivisten sowie weitere Fachleute kamen am 3. und 4. November zum 2. Europäischen Forum für politischen Dialog über Flüchtlinge, Migrantinnen und Migranten virtuell zusammen. Das Forum stand unter dem Motto "Beitrag zur sozialen Eingliederung von Flüchtlingen, Migrantinnen und Migranten in Europa durch interreligiösen und interkulturellen Dialog". Dabei wurden einige der größten Hindernisse für die soziale Eingliederung von Flüchtlingen, Migrantinnen und Migranten in Europa angesprochen.
Das 2. Europäische Forum für politischen Dialog konnte 80 Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus 18 europäischen Ländern begrüßen und umfasste drei Diskussionsbereiche. Dazu gehörten die Stärkung der sozialen Inklusion von Flüchtlingen, Migrantinnen und Migranten im Bildungswesen; die Suche nach Wegen, um Interaktionen zwischen Flüchtlingen und lokalen Aufnahmegemeinschaften zu ermöglichen, in dem Bemühen, voneinander zu lernen sowie Vertrauen aufzubauen; und die Veränderung von Narrativen über Migration, wobei der Schwerpunkt auf der Auseinandersetzung mit abfälligen Diskursen und Hassrede lag.
Das Forum fand kurz nach einem Terroranschlag im Zentrum von Wien am Montagabend statt, als ein Amokläufer in den Stunden vor dem Inkrafttreten der neuen Coronavirus-Beschränkungen vier Menschen tödlich traf und Dutzende andere verwundete.
Eine Kondolenz- und Solidaritätserklärung des Direktoriums des Internationalen Dialogzentrums kann hier nachgelesen werden.
In der Eröffnungsrede sprach Faisal bin Muaammar, Generalsekretär von KAICIID, über die Tragödie in Wien und drückte allen Betroffenen sein Beileid aus. „Ich spreche heute Morgen schweren Herzens. Wien, der Heimatort von KAICIID, wurde gestern Abend angegriffen, als Menschen einen letzten Abend in geselliger Runde verbrachten, bevor in dieser großartigen Stadt neue Beschränkungen samt nächtlicher Ausgangssperre wegen COVID-19 begannen.
„Wir von KAICIID trauern um die unschuldigen Opfer. Wir sprechen den Familien und Angehörigen der von dieser schrecklichen Tat Betroffenen unser tief empfundenes Mitgefühl aus.“
Bin Muaammar fuhr fort: „Wir sind entsetzt, dass Gewalt dieser Art ihren Weg in diese Stadt des Friedens gefunden hat, in diese Stadt der Kultur und Schönheit, die seit Jahrhunderten ein Beweis der Höflichkeit, Offenheit und Kompromisse ist. Wir sagen den nationalen Behörden und zivilen Organisationen unsere Unterstützung zu. Wir stehen zu Wien. Wir stehen an der Seite Österreichs.“
Derzeit sind weltweit rund 70 Millionen Menschen infolge von Verfolgung, Konflikten oder Gewalt vertrieben. Nach Angaben des UNHCR haben Kriege, Gewalt und Verfolgung in den letzten Jahren eine Rekordzahl von Menschen aus ihrer Heimat vertrieben. Der jährliche Bericht Global Trends der Organisation ergab, dass Ende 2019 über 86,5 Millionen Kinder, Frauen und Männer gewaltsam vertrieben wurden, die höchste Zahl in der Geschichte der Organisation.
Das 2. Europäische Forum für politischen Dialog bestand aus zwei Plenarsitzungen, gefolgt von vier Arbeitsgruppen, die politische Empfehlungen zur Verbesserung der Maßnahmen zur Förderung des sozialen Zusammenhalts für Flüchtlinge, Migrantinnen und Migranten diskutierten und formulierten. Die Arbeitsgruppen drehten sich um mehrere Herausforderungen, unter anderem die Frage, wie Probleme durch bewährte Praktiken gelöst werden können, die Entwicklung gemeinsamer Vorschläge und politischer Empfehlungen sowie die Verbesserung der Methoden, um politische Entscheidungsträgerinnen und -träger, religiöse Akteurinnen und Akteure sowie andere relevante Interessengruppen zu erreichen.
„Integration ist eine der wichtigsten Möglichkeiten, den Zusammenhalt und damit den Frieden in Gesellschaften zu erhalten, und deshalb ist es für uns sehr wichtig, dies zu unterstützen“, so Botschafter Jörg Wojahn, Vertreter der Europäischen Kommission in Deutschland.
Die Vortragenden wiesen auf Bedingungen hin, die die soziale Eingliederung von Migrantinnen, Migranten und Flüchtlingen verbessern würden, darunter Beschäftigung und Zugang zu Bildung. „Die Integration von Migrantinnen und Migranten ist ein Thema, das sowohl vom Einreiseort abhängt, also von den Bedingungen, unter denen Migrantinnen und Migranten in ein Zielland kommen, als auch von den Perspektiven, die diese Menschen vor Ort haben“, meint Dr. Rainer Münz, ehemaliger Sonderberater für Migration und Demografie im Europäischen Zentrum für Politische Strategie.
„Diese Perspektiven werden durch die Migrationspolitik, die Integrationspolitik und die Staatsbürgerschaftspolitik definiert“, so Münz weiter. „Es ist wichtig, dass wir dieses gesamte Spektrum der Bedingungen verstehen. Flüchtlinge kommen normalerweise nicht aus wirtschaftlichen Gründen an einen bestimmten Ort, sondern weil sie Schutz vor einer Situation suchen, vor der sie fliehen.“
Die Vortragenden hoben auch die Möglichkeiten für religiöse Führerinnen und Führer hervor, die Integration und Eingliederung zu fördern. „Jede Art von Integration und Inklusion wird viel nachhaltiger sein, wenn sie in einen Blickwinkel einbezieht, der den Ursprüngen der Menschen ähnelt, die in die neue Gemeinschaft kommen“, meint Kanonikerin Dr. Sarah Snyder, Sonderberaterin für Versöhnung des Erzbischofs von Canterbury und Gründungsdirektorin der Rose Castle Stiftung. „Wir alle wissen das, aber es gibt einen enormen Unterschied, wenn man sowohl die kulturellen als auch die religiösen Dimensionen einer neuen Gemeinschaft aus Sicht des Heimatlands durchdenkt. Das bedeutet, dass religiöse Führerinnen und Führer sehr gut in der Lage sind, dies zu unterstützen.“
Flüchtlinge, Migrantinnen und Migranten in Europa sind häufig von Falschnachrichten und Desinformation betroffen, die nach wie vor ein Hindernis für ihre soziale Eingliederung darstellen. „Fake News erschweren ein richtiges Verständnis von Migration“, warnt Juan Fernando López Aguilar, Mitglied des Europäischen Parlaments und Vorsitzender des Ausschusses für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres (LIBE) im Europäischen Parlament. „Viele Menschen neigen dazu, zu denken, dass Migrantinnen und Migranten eine Bedrohung für sie sein könnten - in kultureller oder sozialer Hinsicht. Aber Migrantinnen und Migranten können eine wahre und effektive Bereicherung für die Erfüllung des europäischen Versprechens und unserer Lebensweise sein.“
Er fuhr fort: „Wir glauben, dass die erfolgreiche Integration von Migrantinnen und Migranten Teil eines integralen Verständnisses des Zusammenhalts in der EU und ihren Mitgliedsstaaten ist. Die EU braucht Migration, um ihre Demographie zu erneuern. Es braucht Migration, um die EU auf den Beinen zu halten. Die soziale Integration von migrierten Personen ist nicht nur entscheidend für die Förderung des Zusammenhalts der Mitgliedsstaaten, sondern auch eine wichtige politische Angelegenheit.
Die zweite Ausgabe des Europäischen Forums für politischen Dialog folgte auf die erste Ausgabe, die im Oktober 2019 in Athen (Griechenland) stattfand. Basisaktivistinnen und -aktivisten der von KAICIID unterstützten Plattform Network for Dialogue sowie religiöse Führerinnen und Führer, politische Entscheidungsträgerinnen und -träger sowie weitere Fachleute kamen zusammen. Sechzig internationale Teilnehmerinnen und Teilnehmer diskutierten über die Herausforderungen, die sich aus der Verbesserung der Wege zur Integration ergeben, sowohl vor Ort als auch auf der Ebene der Politikgestaltung, um die Maßnahmen zur sozialen Eingliederung von Flüchtlingen, Migrantinnen und Migranten in Europa zu verbessern.
Das 2. Europäische Forum für politischen Dialog sollte ursprünglich in Bonn, Deutschland, unter der deutschen EU-Ratspräsidentschaft stattfinden, unterstützt vom deutschen Außenministerium und der Vertretung der Europäischen Kommission in Deutschland. Das Forum wurde wegen der globalen COVID-19-Pandemie online abgehalten.