Das Motto von Fatima Abu-Srair lautet: „Warum nicht!?“ Denn „Nein“ zu sagen, kann Barrieren schaffen.
Als Absolventin von KAICIIDs internationalem Fellows-Programm und durch ihre Arbeit als Übersetzerin ist Abu-Srair damit vertraut, Dialog zwischen den Menschen in ihrer Heimat Saudi-Arabien anzuregen und zu fördern.
Nach dem Ausbruch der COVID-19-Pandemie Anfang des Jahres 2020 startete Abu-Srair ein neues Dialogprojekt mit dem Titel „Damen für den interkulturellen Dialog“. Sie arbeitet dabei mit der ehemaligen Fellow Dr. Basmah Jastaniah, Professorin für Religionen und Glaubensbekenntnisse an der Taibah Universität in Al Madenah, und Dr. Haya Alhargan, Supervisorin für internationale Schulen im saudischen Bildungsministerium, zusammen.
Das Projekt brachte Arabisch sprechende Frauen und Männer aus ganz Saudi-Arabien zusammen, um sich in Dialogsitzungen über wichtige regionale und globale Themen auszutauschen. Dazu zählten die Bedeutung des interreligiösen Dialogs, die Umsetzung der Agenda 2030 der Vereinten Nationen und die Nutzung sozialer Medien zur Förderung des Friedens. Abu-Srair und ihre Kolleginnen luden auch regelmäßig Fachleute aus diesen Bereichen ein, damit sie bewährte Methoden vermitteln und Fragen beantworten.
„Was ich in dieser Zeit gelernt habe, ist, dass Teamarbeit ein tolles Konzept ist. Kein Mensch kann die Last der Gesellschaft allein tragen. Es ist auch ein Privileg und eine Ehre, direkt von Fachleuten auf ihrem Gebiet zu lernen“, so Jastaniah.
Die Initiative sollte auch die Meinung widerlegen, dass saudische Frauen in ihren Gemeinschaften keine Führungsrolle übernehmen könnten oder nicht die Fähigkeiten hätten, Vermittlerinnen oder Expertinnen für nicht-frauenzentrierte Themen zu sein.
Format an die Umstände anpassen
Das Projekt war ursprünglich mit persönlicher Anwesenheit konzipiert und sollte in verschiedenen Regionen Saudi-Arabiens stattfinden. Doch die Ungewissheit durch das Coronavirus zwang die Initiatorinnen dazu, das Format an die Umstände anzupassen.
Eine Rotation des Veranstaltungsortes hätte zwar das Programm insgesamt bereichert, aber es wurde bald deutlich, dass es sich dabei um einen logistischen Albtraum handelte. Obwohl Frauen in Saudi-Arabien seit dem Jahr 2018 legal Autofahren dürfen, ist Mobilität immer noch ein Problem. Für die Projektleiterinnen war es schwierig, einander persönlich zu treffen, da jede von ihnen einer Vollzeitarbeit nachgeht und familiäre Verpflichtungen in verschiedenen Städten hat.
Die drei Frauen entschlossen sich also für ein Online-Projekt, in dem Bemühen, mehr Menschen im ganzen Land zu erreichen. Während der COVID-19-Pandemie rückten technische Geräte in den Mittelpunkt. Ein Glücksfall für Abu-Srair und ihre Kolleginnen, in gewisser Weise waren die Ausgangsbeschränkungen ein Segen für das Projekt.
Mit Hilfe der Videokonferenz-App Zoom konnten die Frauen die Sitzungen jede Woche live abhalten. Die interaktive Plattform übertrug die Sitzungen auch gleichzeitig in einen YouTube-Kanal sowie in die Nachrichtenplattform Telegram.
Die Teilnehmer und Teilnehmerinnen wurden aktiv ermutigt, während der zweistündigen Vorträge Fragen zu stellen, die von den Gastrednerinnen und Gastrednern während der Live-Übertragung direkt beantwortet werden konnten. Nach der Sitzung wurden die Teilnehmer und Teilnehmerinnen gebeten, einen kurzen Fragebogen auf der Webseite auszufüllen und sie erhielten ein Teilnahmezertifikat.
Personen, die sieben Sitzungen absolvierten, hatten Anspruch auf ein zusätzliches Abschlusszertifikat.
Arabisch sprechende Menschen erreichen
Das Programm wurde komplett in arabischer Sprache durchgeführt, was in der Region neu war. Die meisten ähnlichen Online-Initiativen wurden bisher in englischer Sprache durchgeführt. Den drei Frauen bot sich so die Möglichkeit, Arabisch sprechende Menschen zu erreichen, die eine andere Sprache möglicherweise nicht fließend beherrschen und daher noch nie an einem ähnlichen Programm teilgenommen hatten.
Abu-Srair und ihre Kolleginnen hielten es für besonders wichtig, die Sitzungen in arabischer Sprache abzuhalten. Viele der Teilnehmerinnen und Teilnehmer hätten noch nie Diskussionen zu diesen Themen in ihrer Muttersprache gehört.
Zu Beginn schalteten sich etwa 150 Personen zu, bis zur vierten Sitzung hatte sich die Zahl verdreifacht. Laut Alhargan zeigen die Zahlen klar, dass es viel Interesse an solchen Inhalten gibt.
„Die Mehrheit der saudischen Gesellschaft nutzt nun das Internet, sogar für Familientreffen. Die Menschen suchten natürlich auch nach Inhalten der Wissensvermittlung. Wir haben daraufhin beschlossen, diese anzubieten. Es war eine Gelegenheit, uns online zu versammeln und diese Lektionen zu vermitteln und Workshops abzuhalten“, erklärt Alhargan.
Laut Alhargan sei die Zusammenarbeit besonders erfolgreich gewesen, weil die drei Frauen aus unterschiedlichen Bereichen kommen und gemeinsam die wichtigsten Städte in Saudi-Arabien vertreten. Abu-Srair stammt aus der Ostprovinz, wohnt aber in Riad, Jastaniah ist in Madinah zu Hause und Alhargan in Jeddah.
„Was auch geholfen hat, ist, dass wir drei Individuen sind. Jede von uns brachte eine andere Perspektive und ein anderes Publikum mit“, so Alhargan.
Das Programm hat ihre eigenen Erwartungen übertroffen. Die Frauen planen, weitere Programme zu entwickeln, sobald das aktuelle abgeschlossen ist. In Zukunft, wenn die COVID-19-Pandemie vorbei ist, könnten die Sitzungen zu einer Mischung aus Online- und Präsenzveranstaltungen werden.
Der Weg zum Perspektivwechsel ist ein Prozess. Indem diese Frauen das Wort ergreifen und Diskussionen ermöglichen, bewirken sie Veränderungen. Sie halten nicht nur Reden, sondern nehmen den Wandel auch selbst in die Hand. Anstatt in die Welt hinauszugehen, ist die Welt in der Lage, zu ihnen zu kommen.