Nang Loung Hom wuchs mit Überlebenden sexueller Übergriffe auf, die in einem Rehabilitationszentrum lebten, das in den 1980er Jahren in Burma von ihrer Mutter eingerichtet worden war. Hom lebte lange in London und in Singapur und ist nun in Sri Lanka zu Hause. Ein Land, das seine eigenen sozioreligiösen Spannungen aufarbeitet, nicht weit von dem Ort entfernt, an dem ihr Leben begann. In Sri Lanka verfolgt sie ihre persönliche Mission, indem sie traumatische Kindheitserinnerungen aufgreift und versucht, diese per Dialog aufzuarbeiten.
„Ich möchte den Menschen helfen, so mitfühlend mit Schmerz und Angst umzugehen, dass wir die verheerenden Ereignisse vergessen“, erzählt sie.
KAICIIDs Fellows-Programm half Hom, ihrer Mission eine theoretische Basis zu geben. Ihr Weg zum Fellow begann im Jahr 2016, lange nachdem sie bereits viele Erfahrungen in der Friedenskonsolidierung gesammelt hatte. „Von den vielen Instrumenten der Friedensförderung arbeite ich mit Dialog am liebsten“, so Hom.
Von einem Freund, der sich für den ersten Jahrgang des Fellow-Programms beworben hatte, erfuhr sie von der Initiative. Sie war einerseits sehr daran interessiert, andererseits hatte sie Bedenken, sich auch zu bewerben. Wie würden die buddhistischen Gemeinschaften in Sri Lanka und Myanmar, mit denen sie so eng zusammenarbeitete, ihre Teilnahme an dieser Initiative bewerten? Schließlich umfasste diese verschiedene Perspektiven und die Zusammenarbeit zwischen den Weltreligionen, einschließlich des Islams. Weitere Überlegungen überzeugten sie, sich für das Programm zu bewerben.
Seit Hom diesen Schritt gewagt hat, konnte sie das in der Ausbildung zum Fellow Erlernte bei mehreren wichtigen Initiativen anwenden. Eines der Projekte, das ihrer Meinung nach die größte Wirkung hat, ist die Erstellung eines Ausbildungshandbuchs über Friedensförderung, sozialen Zusammenhalt und interreligiösen Dialog. Das ist ein Leitfaden, den sie für die KMSS-Caritas Myanmar mitentwickelt. Das Handbuch soll Führungspersönlichkeiten aus der Aufnahmegesellschaft sowie der vertriebenen Gemeinschaften in den vom Krieg verwüsteten Gebieten im Norden und Nordosten Myanmars unterstützen. Genauso sollen politische, religiöse und kulturelle Führerinnen und Führer, Frauen und Jugendliche erreicht werden, um den von jahrzehntelangem Leid betroffenen Gemeinschaften Gerechtigkeit und Heilung zu bringen.
Laut Hom steht das Handbuch symbolisch dafür, wie das KAICIID-Projekt ihr Leben verändert hat. Das Fellows-Programm hat einen pädagogischen Wert und trägt zur Stärkung des persönlichen Netzwerks durch die Zusammenarbeit mit einer aufgeschlossenen Kollegenschaft bei. Doch Hom fühlt sich nun auch viel eher in der Lage, ihr Verständnis von Dialog zu vermitteln. „Ich weiß, dass ich dieses Handbuch aufgrund meiner Zeit mit KAICIID schreiben kann“, berichtet sie.
„Interreligiöser Dialog über soziale Heilung“
Die Idee, eine positive Umgebung für Gemeinschaften zu schaffen, die Probleme haben, zieht sich wie ein roter Faden durch Homs gesamte Arbeit. Sie hat auch ein Förderprogramm mit dem Titel „Interreligiöser Dialog über soziale Heilung“ entworfen und ermöglicht. Dabei handelt es sich um ein neunmonatiges Programm, das sich an religiöse Führerinnen und Führer richtet. Es ist eines der ersten Projekte, das sie gemeinsam mit einem sri-lankischen KAICIID Fellow entwickelt hat. Drei weitere Fellows aus Asien und Afrika haben das Projekt unterstützt.
Hom war außerdem als Beraterin bei einem Projekt für das „Karuna Zentrum für Friedenskonsolidierung“ in Myanmar tätig. Dabei hat sie an der Entwicklung eines weiteren Handbuchs für interreligiösen Dialog mitgewirkt, das sich speziell auf den Gemeinschaftsdialog und die Ausbildung von Dialogtrainerinnen und -trainern konzentriert. Hom arbeitet auch an einem Projekt zur Wiedereinführung von Dialogpraktiken in der buddhistischen Kultur und in buddhistischen Institutionen. Diese Initiative soll die zehn Dialogprinzipien von KAICIID im Hinblick auf buddhistisch geprägte Werte neu denken. Ein drittes Projekt, an dem sie beteiligt ist, soll Dialog in Fragen der sozialen Gerechtigkeit, der Versöhnung, der sozialen Heilung und der Geschlechtergerechtigkeit in der buddhistischen Gemeinschaft einbeziehen.
Für ihr Projekt zur Geschlechtergerechtigkeit hofft Hom, den Dialog zu nutzen, um den Teilnehmerinnen und Teilnehmen zu helfen, soziale Heilung zu finden und „schwere, komplexe und schmerzhafte Themen“ zu dekonstruieren. Darüber hinaus versucht sie, Dialog innerhalb der allgemeinen Unternehmenskultur zu verankern. Sie sucht dabei nach Wegen, um kohärente und integrative Arbeitsplätze in einer interreligiösen und interkulturellen Gesellschaft zu schaffen.
Hom setzt ganz offensichtlich viel privates und berufliches Engagement in jedes ihrer Projekte. Doch es ist das Projekt „Metta Dialogue“, benannt nach dem Pali-Wort für Liebe, das sie am treffendsten beschreibt. Das Projekt war das Ergebnis der Terroranschläge, die zu Ostern 2019 auf drei Kirchen und drei Hotels in Colombo, Sri Lanka, verübt wurden. In der Folge waren die Gemeinschaften mit tiefen Spaltungen und weiterer Gewalt konfrontiert.
„Metta Dialogue“
Hom schuf „Metta Dialogue“ zusammen mit einem Kollegen sowie Menschen, die im interreligiösen und interethnischen Dialog ausgebildet sind. Letztere eröffneten dann Dialogsitzungen für die Öffentlichkeit in dem Bemühen, sichere Räume für Gerechtigkeit und Heilung zu schaffen. Hom stellte sicher, dass die Sitzungen im kleinen Kreis stattfinden und dass sie eine Mischung aus religiösen Gemeinschaften und Ethnien umfassen.
In nur wenigen Monaten erreichte das Projekt mehr als 80 Menschen. Neun Monate nach Beginn der Sitzungen des „Metta Dialogue“ begannen die von dem schrecklichen Angriff am unmittelbarsten betroffenen Teilnehmerinnen und Teilnehmer, über die Attentäter zu sprechen. Dabei bedienten sie sich einer Sprache der Vergebung, anstatt Worte der Rache zu benutzen. „Das hat mein Herz wirklich berührt und mich erleuchtet. Der sichere Raum, den wir mit großem Einfühlungsvermögen und großer Sorgfalt mitgestaltet haben, verwandelte Schmerz, Angst und Wut in Verständnis und Mut. So konnten wir beginnen, uns eine integrative und kohärente Zukunft vorzustellen. Danach begannen wir mit der Umsetzung vieler gemeinsamer Aktionen“, erklärt sie.
Homs Bemühungen werden von ihrem Engagement angetrieben, anderen dabei zu helfen, die schreckliche Gewalt hinter sich zu lassen und Frieden und Verständnis zu finden. Sie ist der Überzeugung, dass, wenn Schmerz und Angst kein positives Ventil im Dialog finden, die Spaltung der Gemeinschaft vorangetrieben und der Kreislauf der Gewalt weitergehen werden. „Diese wunderbare Transformation kommt nicht von einer Schulung oder dem Besuch einer Konferenz“, meint sie.
„Sie kommt durch tiefgehenden Dialog, der uns hilft, mit unserer Angst in Kontakt zu treten und uns die Möglichkeit gibt, darüber zu sprechen.“