Heidi Rautionmaa, geboren und aufgewachsen in Finnland, hatte mehr als 20 Jahre Erfahrung im interreligiösen Dialog, als sie 2019 am Internationalen Fellows-Programm von KAICIID teilnahm.
Als Pastorin und Akademikerin ist Heidi eine Anhängerin des lebenslangen Lernens. Die Gelegenheit Fellow zu werden, hat sie ohne zu zögern ergriffen. „Wenn man einmal damit angefangen hat, sind Fortbilden und Weiterlernen immer gut und spannend. Besonders, wenn man selbst Pädagogin oder Pädagoge ist. Wenn man immer nur Schulungen durchführt, aber selbst nicht mehr lernt, dann wird man für manche Dinge blind“, erzählt sie.
Dass sie zur ersten europäischen Ausgabe des Fellows-Programms gehören durfte, war eine kraftvolle Bestätigung der Prinzipien des interreligiösen Dialogs für sie. Diese hatte sie sich bereits Jahrzehnte zuvor selbst angeeignet und zu praktizieren begonnen. In den 1990er Jahren begann Finnland, Flüchtlinge aus Konfliktgebieten wie Somalia aufzunehmen.
Kohärente interreligiöse Gemeinschaften aufbauen
Heidi erkannte, dass sich Finnlands demographische Struktur veränderte und begann Arabisch zu lernen, um besser informiert zu sein und Inklusion zu leben. Diese Entscheidung war der Beginn von zwei Jahrzehnten voller Arbeit im Bereich des interreligiösen und interkulturellen Dialogs. Mittlerweile kommen viele religiöse Führerinnen und Führer in Finnland auf sie zu und bitten Heidi um Rat oder Hilfe. Zum Beispiel baten Persönlichkeiten der muslimischen Gemeinde nach der Zerstörung einer Moschee um Unterstützung. Auch die hinduistische Gemeinde fragte um Rat, als sie auf der Suche nach einem geeigneten Ort für Diwali-Feiern war.
Heidi konzentrierte sich bei ihrer Arbeit immer auf die Bemühungen an der Basis, um kohärente interreligiöse Gemeinschaften in ganz Finnland aufzubauen. Über die Jahre hat sie starke Verbindungen zu NGOs geschaffen. Darunter sind Religions for Peace Global Women of Faith Network, Faiths Without Borders und die multiregionale NGO United Religions Initiative Cooperation Circle. Das sind multireligiöse Organisationen zur Förderung des sozialen Zusammenhalts in der finnischen Hauptstadt und anderswo.
Heidi schreibt derzeit ihre Doktorarbeit über Interreligiöse Bildung und Weltanschauung und ist außerdem Studentin der Universität Helsinki. Mit Unterstützung derer hat sie an interreligiösen Treffen teilgenommen. Sie ist auch besonders bemüht, ihren akademischen Hintergrund mit ihrer Arbeit mit zivilgesellschaftlichen Organisationen zu verbinden.
Laut Heidi ist dies von entscheidender Bedeutung, da ihrer Ansicht nach die akademische Welt von der Arbeit vor Ort sowie von den sich entwickelnden gesellschaftlichen Bedürfnissen losgelöst ist. Auf den unteren Ebenen des Bildungswesens ist die Notwendigkeit für diese Zusammenarbeit offensichtlich. Da die Zusammensetzung der finnischen Klassenzimmer immer vielfältiger wird, müssen sich auch Methoden und Praxis des Unterrichts ändern. Außerdem braucht es Pädagoginnen und Pädagogen, die in der Lage sind, in einem sich ständig wandelnden Gebiet erfolgreich zu arbeiten.
Das Schulfach Weltanschauung ist nun Teil des neuesten finnischen Lehrplans. Viele Lehrerinnen und Lehrer haben Heidi gefragt, wie sie über die reine Verwaltung der Klasse hinausgehen können. Sie wollen eine ganzheitliche Perspektive in ihre Arbeit mit Kindern und Eltern aus verschiedenen Religionen integrieren.
Pluralistische Religionsgemeinschaften
Neben den lokalen Herausforderungen der interreligiösen Gegebenheiten Finnlands, steht auch Europa vor seinem eigenen Erwachen. Es versucht, mit pluralistischen Religionsgemeinschaften besser zurechtzukommen. „Europa steht vor vielen Herausforderungen, ähnlich wie viele Teile der Welt. Diese Herausforderungen aus regionaler Sicht zu betrachten, ermöglicht es den Menschen in Europa, sich auf lokale Problemlösungen zu konzentrieren“, reflektiert Heidi.
Sie ist der Meinung, dass die europäische Fellow-Gruppe der Wegbereiter für regelmäßige regionale Foren sein sollte. Dort könnten Fellows aus Orten mit enger kultureller Ausrichtung von den Perspektiven der anderen lernen. „Eine europäisch ausgerichtete Gruppe ermöglicht eine besondere Art der Kommunikation und auch den Zugang zu Themen wie Einwanderung, Klimawandel, europäischer Zusammenhalt und sogar Säkularismus, da die Religion eine etwas andere Rolle in Europa hat, als in anderen Teilen der Welt“, so Heidi.
Die europäische Gruppe ist zwar eng verbunden, doch das Netzwerk, auf das Heidi durch das Fellows-Programm zurückgreifen kann, ist grenzenlos. Sie arbeitet in einem finnischen System, das viel Erfahrung mit interreligiösen Beziehungen hat. Heidi bezieht besondere spirituelle Stärkung aus der Möglichkeit, sich mit anderen Alumni des Fellows-Programms auf der ganzen Welt austauschen zu können.
Sicherer Raum zum Lernen und zur Meinungsäußerung
Die Absolventinnen und Absolventen des Fellow-Programms bleiben durch aktive Gruppengespräche in Kontakt. Diese bieten einen sicheren Raum zum Lernen und zur Meinungsäußerung innerhalb einer Gemeinschaft von Gleichgesinnten. „Alumni teilen Informationen, unterstützen sich gegenseitig, machen Vorschläge und erklären Ideen, wie der interreligiöse Dialog in verschiedenen Teilen der Welt durchgeführt werden kann. Nicht immer verstehen Menschen, was man mit der Arbeit erreichen und leisten will. Deshalb ist es sehr wichtig, das Netzwerk der Fellows und deren Unterstützung zu haben“, versichert sie.
Heidi glaubt, dass kleine Projekte zwar ein guter Anfang sind, aber nicht ausreichen. Die Menschen vor Ort brauchen Unterstützung und Ressourcen. Vernetzung ist deshalb für sie eine Möglichkeit, den Grundstein für zukünftige materielle Ergebnisse zu legen.
„Gerade jetzt befinden wir uns an einem entscheidenden Punkt“, sagt sie. „Ein winziges Projekt hier und da ist nicht mehr genug. Jetzt, da wir die Ausbildung zu Fellows abgeschlossen und auch Erfahrung gesammelt haben, müssen wir wirklich gemeinsam etwas verwirklichen. Ich glaube, dass die KAICIID Fellows die Strukturen dafür schaffen können.“