Beim Gipfel der Religionen des Nahen Ostens am 26. & 27. Februar 2018 in Wien, veranstaltet vom Internationalen Dialogzentrum (KAICIID), gibt es eine Premiere auf der Weltbühne: Es wird die erste Plattform für den Dialog zwischen den Religionen gegründet, die in die gesamte Nahost-Region wirken soll. 23 der ranghöchsten religiösen Führungspersönlichkeiten haben heute in Wien ihre Zusammenarbeit in Form der Plattform besiegelt. Sie wollen ihren Beitrag leisten, damit die Schäden behoben werden können, die extremistische Rhetorik, Gewalt und Missbrauch in der arabischen Welt angerichtet haben. Die Plattform startet als Kooperation zwischen Christen und Muslimen, soll aber in weiterer Folge offen für alle Religionen sein. Die Plattform soll Religionsführer und -führerinnen des Nahen Ostens regelmäßig zusammenbringen, um Pläne und Initiativen abzustimmen und auf den Weg zu bringen.
Gründungsmitglieder der Plattform sind u.a. Sheikh Shawki Ibrahim Allam und Sheikh Abdullatif Derian (Großmuftis Ägyptens und des Libanon), Kardinal Mar Bechara Boutros Al-Rai (Oberhaupt der maronitischen Kirche), Tawfeeq bin AbdulAziz AlSediry (Vize-Minister für Islamische Angelegenheiten Saudi-Arabiens) Tawadros II (Pope von Alexandria und Patriarch der Koptischen Orthodoxen Kirche von Alexandria), Sheikh Muhammad Hussein (Großmufti von Jerusalem und Palästina), Patriarch Yohanna X Yazigi (griechisch-orthodoxer Patriarch von Antiocha), Sheikh al-Aql Naim Hassan (Oberhaupt der Gemeinschaft der Drusen im Libanon) und Andrea Zaki (Oberhaupt der Protestanten in Ägypten).
Faisal Bin Abdulrahman Bin Muaammar, Generalsekretär des KAICIID, betont: „Zu lange wurde Religion als Rechtfertigung für Gewalt und Leid missbraucht. Mit der Gründung dieser Plattform sagen die religiösen Führer: Es ist genug. Wir wollen, dass die Kraft der Religion Teil der Lösung ist, und nicht Teil des Problems“.
Religiöse Würdenträger wollen vermitteln
Die Rolle religiöser Führer als Vermittler zwischen Konfliktparteien und politischen Gruppen ist anerkannt und unumstritten. So haben sich in Myanmar und Nigeria Dialog-Initiativen auf lokaler Ebene bewährt, die als Modellbeispiele auf der Konferenz diskutiert werden. Sie dienten als Inspiration für die Gründung einer großen Plattform für den Nahen Osten. Die Rolle der religiösen Würdenträger als Vermittler im politischen Prozess ist anerkannt, die Plattform greift die gebotene Chance auf und versteht sich als Vermittler zwischen den Regionen und als beratendes Gremium für die Politik in der Region. Die Plattform will sich brennenden Themen wie Radikalisierung und Terrorismusgefahr widmen, und sieht sich als Vermittler und Verbinder zwischen Politik und Religionsgemeinschaften.
Die Plattform startet zunächst als Kooperation zwischen Christen und Muslimen. Erklärtes Ziel dabei ist es, für andere Religionen offen zu sein und die Plattform schrittweise zu erweitern. Mittelfristig soll aus dem Zusammenschluss eine Institution mit Hauptsitz im Nahen Osten werden. Die Plattform will Best-Practice-Beispiele vor den Vorhang holen.
Ein aus Dialog-Experten zusammengesetztes Gremium wird sich um die Auswahl künftiger Fachleute und deren Spezial-Ausbildung kümmern, spezielle Lehrmittel sollen entwickelt werden. Ein besonderes Augenmerk wird sich auf Social Media-Kanäle richten, um junge Menschen für die Sache des Dialogs zu gewinnen – auch mit spielerischen Methoden wie eigenen Online-Games und animierten Videos. Das internationale Dialogzentrum KAICIID fungiert in allen Belangen unterstützend und stellt die benötigte Infrastruktur zur Verfügung.
Aktionsplan: Vermittlung, Bildung, Rat für Politik und Gesetzgebung
Die Plattform hat einen Aktionsplan festgelegt, die den regelmäßigen Austausch mit politisch Verantwortlichen innerhalb und außerhalb der Region durch eigene Treffen vorsieht. Zu den weiteren Tätigkeitsfeldern zählen unter anderem eine beratende Rolle in der Gesetzgebung und bei der Erstellung von Schullehrplänen, die Unterstützung lokaler NGOs für einen friedlichen Dialog sowie die Organisation von kulturellen Veranstaltungen und interreligiösen Treffen. Zumindest 20 lokale Nicht-Regierungs-Initiativen im Jahr sollen gefördert werden, mit Fokus auf junge Menschen und Frauen.
Die Plattform ist ein Ergebnis mehrjähriger Bemühungen: Am Anfang stand ein erstes Gipfeltreffen in Wien: 2014 lud das Internationale Dialogzentrum (KAICIID) zur Konferenz „Vereint gegen Gewalt durch Religion“. Das Treffen stand unter dem Eindruck der Kriege in Syrien und im Irak und dem Missbrauch der Religion in diesen Konflikten. Die versammelten religiösen Führer der arabischen Welt beschlossen, ihre Kräfte zu bündeln, um dagegen wirksam aufzutreten. Sie verabschiedeten eine Deklaration, die sich strikt gegen Gewalt als Mittel der Religion wendet. Die „Vienna Declaration“, die 2014 unterzeichnet wurde, schrieb das gemeinsame Engagement zur Förderung von Dialog und gegenseitigem Respekt fest. Es folgten konkrete Aktivitäten in vier definierten Aktionsfeldern: Social Media, Bildung, Versöhnung und sozialer Zusammenhalt sowie Stärkung des interreligiösen Dialogs. Das KAICIID hat seitdem über 400 junge führende Religionsvertreter aus den Ländern der Region, etwa Ägypten, Irak, Libanon, Marokko, Syrien und Tunesien ausgebildet. Die Teilnehmer and Teilnehmerinnen sind seitdem in eigenen Dialog- und Friedensinitiativen aktiv. Sie werden in Zukunft auch verstärkt in den sozialen Medien für Dialog auftreten. So entstand durch das Engagement des KAICIID auch das erste Netzwerk von religiösen Universitäts-Fakultäten in der arabischen Welt.
KAICIID: Mit Dialog Konflikte lösen
Das Internationale Dialogzentrum ist eine zwischenstaatliche Organisation, die den Dialog zwischen den Religionen als Mittel zur Konfliktlösung fördert. Sitz der Organisation ist Wien, das Zentrum wurde 2011 von Österreich, Saudi-Arabien, und Spanien gegründet. Der Vatikan ist beobachtendes Gründungsmitglied. Die globale NGO „United Religions Initiative“ hat dem KAICIID kürzlich den Afrika Peace Prize verliehen – für dessen Verdienste um die Vermittlung in religiösen Konflikte in Nigeria und in der Zentralafrikanischen Republik.